"Paradise Papers" Was ans Licht muss, kommt ans Licht
"Luxemburg-Leaks", "PanamaPapers" und jetzt die "Paradise Papers": Erneut haben sich Journalisten weltweit durch E-Mails, Daten und Akten gegraben, um die Steuertricks der Superreichen und Konzerne offen zu legen. Ergebnis: Es wird weiter versteckt und verschoben. Und: Auch die "Guten" in der Branche können sich die "Schlechten" der Welt nicht vom Hals halten.
Das Leak trägt den Namen "Paradise Papers", denn paradiesisch, bunt, laut und ausgelassen ist es in der Karibik. Touristen lieben den Nervenkitzel, Stachelrochen im offenen Meer zu streicheln. Und mittendrin auf den Cayman Islands oder den britischen Jungferninseln liegen die Kanzleien eines der größten Anbieter von Offshore-Konstruktionen: Appleby. Daten eben dieser Kanzlei - sowie weitere Bestände aus der Offshore-Welt - wurden der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt. Es ist ein neues, ein gigantisches Leak.
Wie schon bei den "PanamaPapers" kooperierten Journalisten in aller Welt, darunter NDR und WDR, um die riesige Datenmenge auszuwerten. Die Arbeit dauerte länger als ein Jahr. Mit dem heutigen Tag beginnt die Veröffentlichung. Die Spuren führen ins Kabinett von Donald Trump, zu einem engen Vertrauten des kanadischen Polit-Superstars Justin Trudeau, zu deutschen Milliardären, Hollywood-Größen und Rennfahrern.
In George Town auf den Cayman Islands hilft Appleby den Reichen beim Steuern sparen.
So bemerkenswert wie die Ähnlichkeiten mit den "PanamaPapers" sind, so gibt es doch auch Unterschiede. Damals stammten die Unterlagen aus der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die selbst in Offshore-Kreisen einen nicht sonderlich guten Ruf besaß. Inzwischen hat das Bundeskriminalamt die Daten für einen Millionen-Betrag gekauft - die Quelle hierfür ist unklar-, um weltweite Strafverfolgung gegen die Kunden der Kanzlei zu ermöglichen. Ein Desaster für die Offshore-Branche war das und so hieß die einzig mögliche Verteidigung gegen die weltweite Kritik: Mossack Fonseca sei die Ausnahme, keinesfalls exemplarisch für das Geschäft.
Appleby, der Branchenprimus
Appleby gehört zu den Marktführern, gegründet von einem britischen Kolonialoffizier, das klingt nach Tradition und Geschichte. Große Weltkonzerne gehören zu den Kunden von Appleby. Wenn Mossack Fonseca am unteren Ende der Branche rangierte, steht Appleby ziemlich weit oben. Die Daten zeigen nun: Sauber bleiben ist im Offshore- Geschäft eine Illusion, selbst wenn man es versucht. Zu den Appleby-Kunden gehörten im Laufe der Jahre zwielichtige Gestalten aus dem Iran, Russland oder Libyen.
2005 und 2014 beklagte die "Bermuda Monetary Authority", dass Appleby nicht genug über seine Kunden und deren Geld wisse. Korrupte Politiker, mit Sanktionen belegte Geschäftsleute, verurteilte Steuer-Hinterzieher waren darunter. Und der Bruder des Mannes, der Saddam Husseins Atomwaffenprogramm leitete.
Wie schrieb ein Ex-Polizist, der bei Appleby eigentlich eben solche Kunden draußen halten sollte: "Wir sollten uns vom Geld-Verdienen nicht den Verstand vernebeln lassen." Und wieder zeigt sich zudem, welche Attraktivität die geheimen Geldverstecke auf Politiker ausüben: 120 Politikerinnen und Politiker aus beinahe 50 Ländern finden sich in den Papieren. Offshore ist zu oft so etwas wie das Bahnhofsviertel der Finanzindustrie.
Nachhaltig produzieren, aber Steuertricks nutzen
Zu den bemerkenswertesten Funden in dem Leak aber gehören die Geschäfte und das Geschäftsgebaren der großen Konzerne. In den Unterlagen findet sich auch der Schweizer Rohstoff-Multi Glencore, der sich eine wertvolle Rohstoffmine im Kongo sicherte. Die Daten bieten einen unbekannten Einblick hinter die Kulissen solcher Verhandlungen. Kaum jemand kennt Glencore, aber so ziemlich jeder hatte schon einmal eine Batterie, ein Handy oder einen Laptop mit Materialien in der Hand, die Glencore förderte oder verkaufte. Der Kongo mit all seinen Rohstoffen müsste ein reiches Land sein. Doch mehr als die Hälfte der Menschen hat keinen Zugang zu sauberem Wasser hat. Jedes siebte Kind erlebt seinen fünften Geburtstag nicht.
In den kommenden Tagen wird auch über die Hersteller von Produkten berichtetet werden, die wir alle kennen und viele von uns nutzen. Nike etwa. Oder Apple. Bei manchen von ihnen ist die Bereitschaft an und über die Grenze zu gehen, um Steuern zu sparen oder zu vermeiden, atemberaubend. Zu Recht beklagen inzwischen Politiker in aller Welt ein System, in dem Konzerne verschachtelte Systeme nutzen, um ihre Abgabenlast zu drücken.
Dies zeigte sich spätestens 2014, als Journalisten die abenteuerlichen Steuervorteile öffentlich machten, die Luxemburg großen Konzernen einräumt. Die Affäre blamierte den Zwergstaat und seinen früheren Regierungschef Jean-Claude Juncker, der heute Präsident der Europäischen Kommission ist.
Kaum ein Unternehmen würde sich heute noch trauen, gezielt in solchen Ländern zu produzieren in denen Kinderarbeit erlaubt und Umweltstandards niedrig sind. Geht es darum, einen fairen Anteil seines Gewinns zu versteuern, gibt es diese Sensibilität leider nicht. Möglich ist dieses Geschäft durch die Kombination von Staaten, die außer waghalsigen Steuermodellen oft nicht viel anzubieten haben und einer weltweit arbeitenden Beratungsindustrie, die jede Lücke, jede Schwäche und jede Ausnahme von der Ausnahme kennt.
Geheimhaltung adé
Die Appleby-Daten beweisen dies, etwa am Beispiel der Isle of Man, einem Felsen in der Irischen See, der aber Teil der Zollunion der EU ist. Hier sind auffallend viele Privatjets registriert. In den Büros des Finanzdistrikts der Hauptstadt Douglas werden die Türschilder ausgewechselt, wenn mal wieder die Vertreter der dort formal registrierten Firmen zur jährlichen Sitzung erscheinen. Das reicht schon, um Millionen an Steuern zu sparen. Stets verweisen die Betroffenen darauf, dass all dies doch legal sei: Genau darin, so erkennen immer mehr Politiker, besteht das Problem. So wichtig wie die Frage, was ein Unternehmen tut, ist heute auch die Frage, was es nicht tut. Für Staaten gilt dies ebenso. Wolfgang Schäuble hat den an diesem Projekt beteiligten Journalisten, kurz vor seinem Abschied aus dem Amt des Finanzministers, ein Interview gegeben. Den Kampf gegen Steuervermeidung verglich er mit dem Kampf gegen die Hydra: "Sie schlagen einen Kopf ab und zwei neue wachsen nach."
Ein Grund für den Erfolg dieses Geschäftsmodells ist auch die Geheimhaltung, die Firmen wie Appleby garantieren: Niemand wird erwischt, niemand muss sich rechtfertigen. Was nicht öffentlich ist kann auch nicht diskutiert und kritisiert werden.
Die "Paradise Papers" belegen nun erneut, dass diese Geheimhaltung nicht mehr existiert. Wie schon bei den vorherigen Kooperationen haben die beteiligten Journalisten sorgfältig erwogen, welche Daten, welche Fälle, welche Namen aus den Unterlagen publiziert werden sollen. Vieles ist privat und muss deshalb auch privat bleiben. Woran es aber ein öffentliches Interesse gibt, das wird nun auch veröffentlicht. Öffentlichkeit schafft den notwendigen Druck. Druck sorgt für Veränderung. Nach den "PanamaPapers" nun die "Paradise Papers". Was ans Licht muss, kommt nun auch ans Licht.