Vor Treffen mit EU-Spitzen Was will Mateusz Morawiecki?
Polens neuer Ministerpräsident Morawiecki will sich bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel um eine Verbesserung der angespannten Beziehungen zur EU bemühen. Der politische Spielraum für den ausgewiesenen Europa-Experten ist eng.
Bislang ist nicht erkennbar, wie Bewegung in den festgefahrenen Grundsatzstreit zwischen Polen und der EU-Spitze kommen soll. Zwar ist mit dem bisherigen Wirtschafts- und Finanzminister Mateusz Morawiecki vor Weihnachten ein neues Gesicht an die Spitze der polnischen Regierung getreten, und im Kontrast zu seiner Vorgängerin tritt der 1968 geborene Dissidentenspross Morawiecki geschmeidiger auf.
Aber in der Sache unterscheidet ihn nichts erkennbar von seiner Vorgängerin Beata Szydlo - weder bei der Flüchtlingsfrage - "kein Jota" werde seine Regierung hier die Linie ändern, twitterte er, - noch in der Frage der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Im Gegenteil hat Morawieki auch hier sich selbst bereits jeden Verhandlungsspielraum genommen, als er erklärte, die sogenannte Justizreform sei "endgültig".
Justizreform gegen "Altlasten"?
Im staatlichen Fernsehen sagte er zu Jahresbeginn: "Als wir die Volksrepublik Polen hinter uns ließen, haben wir keine Überprüfung der Richter durchgeführt. In der DDR haben nach der Wende etwa ein Drittel der Richter ihre Posten behalten. Und bei uns sollen alle Richter in Ordnung sein?"
Die EU aber wolle diese Reformen verhindern, wohl, weil den Brüsseler Eliten die nationalbewusste Führung Polens nicht gefalle, so nach wie vor die Rhetorik der regierenden PiS-Partei und ihrer Medien, und kaum anders auch Premier Morawiecki, der ebenfalls suggerierte, niemand dürfte Polen an der Reform seiner Justiz hindern.
EU-Recht verschieden ausgelegt
Der Politiker, der Experte für Europarecht ist und ein Handbuch darüber geschrieben hat, geht dabei darüber hinweg, dass die Brüsseler Haltung keineswegs so pauschal ist, wie unterstellt. Die Analyse der für Rechtsstaatsfragen zuständigen Venedig-Kommission des Europarats zufolge gibt es nämlich durchaus Wege, das Justizwesen zu reformieren, ohne damit zugleich die Unabhängigkeit der Rechtsprechung generell in Frage zu stellen - durch geregelte, überprüfbare Verfahren nach Recht und Gesetz, statt durch den willkürlichen Austausch des rechtsprechenden Personal.
Die Art des Umbaus in Polen aber unterwerfe die Justiz so umfassend dem Willen der Politik, dass teilweise sogar noch die Zustände der kommunistischen Willkürjustiz unterboten würden, stellte die Venedig-Kommission fest. Insofern stellt sich das erklärte Ansinnen Morawieckis, Sinn und Notwendigkeit der Reform noch einmal neu zu erklären, als nicht sehr aussichtsreiches Unterfangen dar.
Opposition sieht Morawieckis als Marionette
Der Oppositionspolitiker und frühere EU-Kommissar Janusz Lewandowski ätzte im privaten Fernsehen: "Der Einsatz Premier Morawieckis gleicht einer Schönheits-OP: Puder für eine Mannschaft, die nicht viel erreichen wird. Ich gebe ihm nicht die geringste Chance, dass er jemanden überzeugen wird. Auch mit vornehmen Englisch kann man nicht weiß machen, was schwarz ist wie das Attentat auf unsere Justiz. Und seine Rolle ist noch schwieriger, wenn man bedenkt, dass er gar kein selbständiger Politiker ist, sondern nur ein Bote von Kaczynski, der in Europa keine guten Assoziationen weckt."
PiS-Parteichef Kaczynski gilt als heimlicher Staatschef Polens.
Was also soll die ganze Diskussion? Zum einen wohl ein Signal fürs eigene Land, denn die Polen schätzen mehrheitlich trotz aller Differenzen die EU: Seht her, wir tun unser bestes. Zudem ist die Sackgasse, in die sich die polnische Regierung gesteuert hat, zugleich auch eine für die EU - denn Sanktionen kann es wegen Ungarns Haltung wohl nicht geben.
EU-Mehrheit gegen Polen bröckelt
Mehr noch: Auch die für die erste Stufe des Artikel-7-Verfahrens nötige Vier-Fünftel-Mehrheit scheint keineswegs sicher. Als Wackelkandidaten werden in Warschau allesamt Länder aus der Region genannt: Kroaten und Rumänen, aber auch Litauer und Letten und vielleicht die Slowaken. Man darf vermuten, dass die polnische Führung in diesen Ländern derzeit hinter den Kulissen eifrig für die eigene Sache trommelt.