Verfälschte Darstellung des Zweiten Weltkriegs Geschichte auf Russisch
70 Jahre nach Beginn ist der Zweite Weltkrieg noch immer nicht hinreichend aufgearbeitet. Polen empört sich besonders über russische Versuche, die Geschichte umzuschreiben, Opfer- und Täter-Rolle zu vertauschen. Beifall gibt es hingegen für die deutschen Bemühungen um Aussöhnung.
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Der Hitler-Stalin-Pakt sei eine kluge strategische Maßnahme Stalins gewesen, um Zeit zu gewinnen, sagt der russische Militärhistoriker Sergej Kowaliow. Dass in den geheimen Zusatzprotokollen zu diesem Pakt bereits die Aufteilung Polens und der baltischen Staaten besiegelt wurde, kommentiert Kowaliow nicht. Bis 1989 wurde die Existenz dieser Protokolle in Russland sogar geleugnet. Einige russische Medien gehen sogar noch weiter und werfen Polen vor, den Krieg provoziert zu haben, weil sie den Deutschen die Freie Stadt Danzig nicht kampflos überlassen wollten.
Unerträglich und dreist findet Leszek Czarnecki von Polens Oppositionspartei Recht & Gerechtigkeit solche Versuche, die Geschichte zu fälschen. Er fordert: "Premier Donald Tusk sollte ein klares Signal an Russland senden, dass wir zwar an wirtschaftlichen Beziehungen interessiert sind, dass wir aber nicht bereit sind, einer Verleugnung der Geschichte zuzustimmen."
Gefängnis für die wahre Geschichte
Die Hoffnung, dass Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin eine solche Entschuldigung heute mit nach Danzig bringen wird, ist gering. Moskau hat erst im Mai ein Gesetz verabschiedet, wonach jeder, der die russische Geschichte verfälscht, mit einer Gefängnisstrafe rechnen muss. Den wahren Verlauf der Historie bestimmt natürlich der Kreml. In Danzig nehmen heute hochrangige Politiker aus ganz Europa an der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns teil.
Während die Anwesenheit Putins von vielen Polen kritisiert werde, gelte der Besuch Angela Merkels als geradezu selbstverständlich, sagt der Historiker Wojciech Roszkowski. "Wir können die dunkle Vergangenheit überwinden - aber nur, wenn wir sie ehrlich und objektiv beurteilen", meint Roszkowski. "Deshalb fällt es uns nicht schwer, mit den Deutschen darüber zu reden, auch wenn wir Probleme mit Frau Steinbach haben. Aber generell gibt es in Deutschland keinen staatlich verordneten Widerstand gegen die historische Wahrheit, so wie wir das in Russland erleben."
Merkels gelungener Spagat
Während die Rede der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach in der vergangegenen Woche von den polnischen Medien erwartungsgemäß kritisiert wurde, kam Kanzlerin Merkel in den Zeitungskommentaren ganz gut weg. Ihr sei bei dem Auftritt am "Tag der Heimat" vor dem Bund der Vertriebenen der Spagat geglückt, die eigene Wählerschaft nicht zu vergrätzen und gleichzeitig die Gefühle der polnischen Bevölkerung nicht zu verletzen, meint Kazimierz Kutz von der liberalen Bürgerplattform: "In der Rede der Kanzlerin habe ich kein Wort des Revanchismus oder einer antipolnischen Haltung gehört."
Beifall für Deutschland
Dass sich in der vergangenen Woche 140 deutsche Intellektuelle an einer Kampagne unter dem Motto: „Wir bitten um Verzeihung für 1939, wir danken für 1989“, beteiligt haben, ist in Polen auf viel Beifall gestoßen. Der deutsche und der sowjetische Überfall auf Polen seien ein Vorspiel zum vernichtenden Krieg und der kommunistischen Unterjochung Osteuropas gewesen, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Künstler, Historiker und Politiker. Auf eine solche Erklärung aus Russland warten die Polen bis heute vergeblich.