Menschen kochen in einer Suppenküche in Aleppo.

NGOs in Aleppo Unter Beschuss helfen

Stand: 04.12.2024 16:44 Uhr

Sie verteilen Essen an Bedürftige - unter schwierigsten Bedingungen: Nach der Eroberung Aleppos durch islamistische Milizen versuchen NGOs ihre Arbeit trotz Bombardements aufrechtzuerhalten.

Bis vor wenigen Tagen sah es trotz der ohnehin schwierigen Lage im syrischen Bürgerkrieg nach einem frohen Weihnachtsfest im Kloster der Franziskaner in Aleppo aus. "Hoffnung" hatten die jugendlichen Gemeindemitglieder als Motto für die Feierlichkeiten mit Krippenspiel ausgewählt. Doch das Fest als Lichtblick scheint nun in weite Ferne gerückt zu sein.

Erst hatten islamistische Milizen rasend schnell Aleppo erobert, die zweitgrößte Stadt Syriens. Seitdem schlägt das Assad-Regime zurück und bombardiert Orte in Nordsyrien mithilfe des russischen Militärs.

Nachdem die Franziskaner am Sonntag ihren gut besuchten Gottesdienst gefeiert hatten, schlugen auch Geschosse in ihrem Kloster und Bildungszentrum "Terra Santa College" ein.

Ein Franziskaner-Mönch steht vor dem Kloster in Aleppo.

Ein Franziskaner-Mönch steht vor dem Kloster in Aleppo.

An vielen Wänden klebt Ruß

"Gott sei Dank wurde niemand verletzt oder getötet", erklärt Bruder Matthias Maier, der Leiter Hilfswerks Franziskaner Helfen. Schnell breitete sich jedoch Feuer im Klostergelände aus - Gebäudeteile wurden zerstört, an vielen Wänden klebt schwarzer Ruß.

In einem Raum für Gottesdienste sind Fenster geborsten, herabstürzende Deckenverkleidung hat ein gewaltiges Chaos verursacht. "Unsere Jugendlichen sind sehr deprimiert, dass der Krieg wieder Alltag ist", bedauert Maier und fügt trotzig hinzu: "Wir wollen uns davon aber nicht einschüchtern lassen."

Nicht aufhören wollen die Franziskaner mit ihrer karitativen Arbeit, die seit Beginn des Bürgerkriegs eine wichtige Stütze für Bedürftige aller Nationen oder Religionen in Aleppo darstellt. In großen Metalltöpfen bereiten die Geistlichen Reisgerichte und Spaghetti zu.

Ein Franziskaner-Mönch kocht in einer Suppenküche in Aleppo.

Kochen für die Bedürftigen - wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise sind viele auf die Hilfe der Franziskaner angewiesen.

"Preis für Mehl irrsinnig nach oben gegangen"

Mehr als 2000 Mahlzeiten geben sie täglich in ihrem Stadtviertel aus, obwohl die plötzliche Preissteigerung seit dem erneuten Ausbruch der Kämpfe sie vor gravierende Probleme stellt. "Der Preis für Mehl ist irrsinnig nach oben gegangen", fügt Maier hinzu. Dennoch wollen sie ihre Bäckerei offenhalten.

Finanzielle Sorgen plagen auch Lanna Idriss, Vorstandsvorsitzende vom Hilfswerk SOS-Kinderdörfer weltweit, die von Deutschland aus mit ihren Kollegen in Syrien in Kontakt steht.

Mehr als 100 Kinder - darunter viele Vollwaisen - werden im Kinderdörfer-Standort in Nordost-Aleppo versorgt und beschult. Als die plötzliche Eroberung Aleppos begann, hatten sie keine Zeit für eine Evakuierung ihres Kinderheims - zu überraschend seien die Angriffe losgegangen.

"Jetzt ist es schwierig, Gelder in den isolierten Standort zu bekommen", erklärt Idriss, "obwohl wir wegen der explodierenden Inflation aufgrund der Kämpfe gerade jetzt mehr finanzielle Mittel vor Ort benötigen."

Blick in das zerstörte Franziskaner-Kloster in Aleppo.

Teile des Franziskanerklosters wurden bei Angriffen zerstört.

Unklare Lage für NGOs

Für kaum eine Hilfsorganisation ist derzeit absehbar, wie die neuen Machthaber von Aleppo sich zukünftig verhalten werden. Idriss hört aus Syrien, dass sich die islamistischen Milizen bislang "relativ freundlich gegenüber der Zivilbevölkerung verhalten". Wie lange das anhalte, sei derzeit schwierig einzuschätzen.

Aleppos katholischer Bischof Hanna Jallouf erklärte am Montag gegenüber einem italienischen Fernsehsender, dass die islamistischen HTS-Milizen "Weihnachten und unsere weihnachtlichen Feste nicht verboten haben".

Auch müssten sie bislang ihre religiösen Symbole nicht entfernen. "Sie haben uns mit Strom, Licht und Wasser versorgt. Wir hoffen, dass alles gut geht."

In einer Suppenküche in Aleppo wird Essen an Bedürftige verteilt.

In der Suppenküche in Aleppo wird Essen verteilt.

Mancherorts müssen Helfer abgezogen werden

Diese Hoffnung teilt auch Karl Otto Zentel, Generalsekretär von CARE Deutschland. Seit Beginn des Bürgerkriegs versorgt CARE die Gebiete der Assad-Gegner in Nordsyrien von der Türkei aus mit Medikamenten, Hilfsgütern wie Decken, Matratzen und Zelten.

Derzeit sei das Sicherheitsrisiko durch die Angriffe hoch. "Mitarbeiter unserer Partnerorganisationen wurden getötet. Mancherorts müssen wir unsere Kollegen abziehen und die Arbeit einstellen."

Zentel besorgt zudem die Fluchtbewegung, die nun wieder einsetzt. "Manche Familien fliehen zum dritten oder vierten Mal. Sie haben alles verloren."

Mitarbeiter verteilen Hilfspakete von SOS-Kinderdörfer in Aleppo.

Mitarbeiter verteilen Hilfspakete von SOS-Kinderdörfer in Aleppo.

Aufrufe der UN nach Hilfe immer weniger erfolgreich

Gleichzeitig sind die Aufrufe der Vereinten Nationen nach finanzieller Hilfe für Syrien immer weniger erfolgreich. Die Staatengemeinschaft bekommt nicht annähernd die notwendigen Mittel zusammen. Allen NGOs fehle Geld, erklärt Zentel. "Manche Programme in Nordsyrien mussten bereits eingestellt werden."

CARE will seine Hilfe zur Wiederherstellung der Wasserversorgung ausbauen, weil diese durch die Kämpfe derzeit eingeschränkt werde. "Das ist gerade jetzt wichtig, wo der Winter naht und es warme Speisen und Getränke braucht."

Der SOS-Kinderdörfer-Standort Aleppo - einer von zwei SOS-Kinderdörfer-Standorten in Syrien - soll vorerst nicht evakuiert werden. "Wir harren aus", erklärt Idriss.

Auch die Franziskaner wollen ihre Lebensmittelversorgung so lange wie möglich aufrechterhalten, auch wenn die Wege zu den Märkten in Aleppo immer länger und gefährlicher werden. "Unsere Brüder vor Ort haben beschlossen, nicht länger mit Angst auf die Straße zu gehen", erklärt Bruder Matthias Maier. Hilfe sei nötiger denn je - gerade jetzt.