US-Luftangriff in Syrien Nur ein Warnschuss?
Experten sehen in dem US-Luftangriff in Syrien eine "Kehrtwende" in der Syrien-Politik des US-Präsidenten und eine "spontane Strafaktion" nach dem Giftgaseinsatz. Unklar sei, wie Trump nun weiter in Syrien verfahren will und ob jetzt eine Eskalation mit Russland zu erwarten ist.
Der US-Luftangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt kam für Beobachter überraschend: Sie sehen darin eine komplette Kehrtwende der Syrien-Politik von US-Präsident Trump.
Die Bilder von versehrten Kindern nach dem Giftgas-Angriff in der Region Idlib hätten Trump nach eigenen Angaben zum kompletten Umdenken bewegt, berichtet die Washington-Korrespondentin der ARD, Sandra Ratzow. Bislang konnte Assad der Chemiewaffeneinsatz nicht nachgewiesen werden. "Dennoch hatte Trump wohl das Gefühl, dass er jetzt in Syrien handeln muss", so Ratzow. Der Angriff auf die Militärbasis sei nun als Warnschuss zu verstehen. Der US-Präsident wolle damit ein Zeichen an Assad senden. NDR-Militärexperte Andreas Flocken sieht in der Kehrtwende "eine relativ schnelle und spontane Strafaktion". Trump wolle zeigen, dass er reagiert - nicht nur gegenüber Assad, auch nach innen.
Dieses spontane Vorgehen Trumps bewertet der Politikwissenschaftler Michael Lüders sehr kritisch: "Trump öffnet damit die Büchse der Pandora." Denn in Syrien werde ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA, den westlichen Staaten und den Golf-Staaten auf der einen Seite und Russland, Iran und China auf der anderen Seite geführt, sagte der Nahostexperte im Gespräch mit NDR Info. Ein solcher Angriff könne deshalb sehr schnell eskalieren. "Es besteht die Gefahr, dass die beiden Nuklearmächte USA und Russland in Syrien in eine ernsthafte Konfrontation geraten", warnt Lüders.
Keine weitergehende Strategie
Vieles spricht aus Sicht der Experten dafür, dass es Trump bei diesem einen Angriff belassen könnte. Denn laut Militärexperte Flocken war der Militärschlag mit Bedacht gewählt: "Es ist ein Luftwaffenstützpunkt angegriffen worden, von dem aus die Flugzeuge gestartet sein sollen, die Chemiewaffen abgefeuert haben sollen." Zudem hätten die USA bewusst auf Marschflugkörper gesetzt, die als zielgenau und aus militärischer Sicht sehr zuverlässig gelten.
Wie Trump nun weiter in Syrien verfahren will, ist nicht klar. "Ihm fehlt die Strategie", so USA-Korrespondentin Ratzow. Dabei sei es ein risikoreicher Angriff gewesen. Denn sollte der Vergeltungsschlag verpuffen, könnten die USA bald zu weiteren militärischen Schritten gezwungen sein. Es sei auch möglich, dass der IS eine Schwäche des syrischen Regimes nutze, um die Vormacht in der Region zu erhalten.
Politische Lösung oder Eskalation?
Das weitere Vorgehen hängt aus Sicht von Militärexperte Flocken vor allem von der Reaktion Russlands ab. Schließlich habe sich Assad bisher sicher fühlen können, weil von Seiten der USA nichts passierte. Flocken rechnet damit, dass Russland Druck auf Assad hinter den Kulissen ausüben werde. "Denn Russland kann kein Interesse an einer weiteren Eskalation des Konfliktes und an einer Konfrontation mit den USA in Syrien haben." Insofern hält es Flocken nun für denkbar, "dass eine politische Lösung einen Impuls durch die Militärintervention erhalten könnte".
Nahostexperte Lüders ist dabei deutlich pessimistischer: Der Giftgasangriff diene den USA "als Anlass, die amerikanischen Machtinteressen in Syrien zu unterstreichen". Es gehe den USA darum, "Russland und den Iran klein zu halten und Syrien ist das Schlachtfeld, wo dieser Kampf ausgetragen wird", so Lüders. Entscheidend sei nun, wie sich die anderen NATO-Staaten - und auch Deutschland - verhalten: "Letztendlich hoffe ich, dass es genügend politische und militärische Akteure in der NATO und in Europa gibt, die erkennen, dass Syrien ein brandgefährlicher Krisenherd ist und dass man hier die Eskalation vermeiden sollte."