Nach dem Tsunami 2004 Der große Knall steht noch bevor
Der Erdstoß, der vor fünf Jahren den verheerenden Tsunami auslöste, traf die Region unvorbereitet - aber nicht unerwartet. Geologen wissen schon lange, dass dort zwei tektonische Platten massive Spannungen aufbauen. Sie warnen vor einem noch gewaltigeren Beben.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Südostasien
Fünf Jahre nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean, bei dem mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen sind - die meisten in der indonesischen Provinz Aceh - steht den Einwohnern von Sumatra das Schlimmste möglicherweise erst noch bevor. Ausgelöst wurde der Tsunami damals durch ein schweres Erdbeben der Stärke 9,3 auf der Richterskala vor der Küste Sumatras. Es war das zweitstärkste jemals registrierte Erdbeben auf der ganzen Welt. Sein Epizentrum lag an der Nordspitze der Insel, rund 250 Kilometer von der Großstadt Banda Aceh entfernt.
Entlang der Westküste der Insel verläuft eine tektonische Bruchstelle in der Erdkruste, an der sich die australische Platte und die Sunda-Platte übereinanderschieben. Erdbeben sind hier keine Seltenheit. Am 26. Dezember 2004 habe sich genau an dieser Stelle der sich gegeneinander bewegenden Platten eine gewaltige Spannung aufgebaut, erklärt der Geologe Kerry Sieh von der Technologischen Universität Nanyang in Singapur. Diese habe sich dann in einem Beben entladen.
"Es gibt zwei große tektonische Bruchstellen auf Sumatra. Eine verläuft genau entlang des Bergrückens der Insel von Nord nach Süd. Die andere ist draußen ein paar Hundert Kilometer vor der Küste", berichtet Sieh weiter. Diese zweite verlaufe von Myanmar, dem früheren Birma, im Norden, an den Inseln Sumatra und Java entlang, bis ganz nach Süden. "Hier schieben sich die indische und die australische Platte unter die Sunda-Platte. Und dabei entsteht eine gewaltige Schubkraft."
Ein Indonesier auf den Trümmern seines Hauses in Banda Aceh (Archivbild 2004).
"Mitten in einer Erdbeben-Sequenz"
Erdbebenforscher, wie der Geologe Sieh, erwarten in den nächsten Jahren ein weiteres schweres Beben vor der Küste Sumatras. Sein Epizentrum werde voraussichtlich in der Nähe von Padang liegen, wo bei einem schweren Erdbeben Ende September rund 1000 Menschen ums Leben kamen, erläutert Sieh.
"Im Bereich der Insel Sumatra befinden wir uns gerade mitten in einer Erdbeben-Sequenz." Die Verschiebungen an der tektonischen Bruchstelle lösten circa alle 200 Jahre eine Reihe von Erdbeben aus. "Aus den geologischen Aufzeichnungen können wir ersehen, dass es dort im späten 13. Jahrhundert eine Erdbeben-Sequenz gab, über mehrere Jahrzehnte hinweg. Im frühen 16. Jahrhundert das Gleiche und danach wieder im 18. Jahrhundert."
"Das letzte Beben ist meist das stärkste"
Als es im Jahr 2004 die schweren Erdbeben vor Sumatra gegeben habe, sei das für die Geologen eigentlich keine Überraschung gewesen. Jetzt fehle noch eine Stelle an diesem 2000 Kilometer langen Abschnitt der tektonischen Bruchstelle, an der es noch kein Beben gegeben hat. "Und wenn das kommt, dann kann das eine Stärke von 8,8 haben - vielleicht auch mehr, denn das letzte Beben einer Sequenz, ist meist das stärkste. Danach haben wir dann aber wieder für 150 bis 200 Jahre Ruhe in dieser Region."
Ein Tsunami-Warnschild im thailändischen Phuket.
Der nächste Tsunami - eine Frage der Zeit
Leichtere Beben gibt es fast täglich in Indonesien. Durch die tektonische Bruchstelle vor der Küste und die mehr als 120 Vulkane, von denen einige aktiv sind, gehört das Insel-Archipel zu den am stärksten Erdbeben gefährdeten Regionen der Welt. Der nächste Tsunami ist in Indonesien nur eine Frage der Zeit.