US-Wahl 2024
US-Wahl 2024 Wo Trump als das kleinere Übel gilt
Steuersenkungen für Vermögende - mit diesem Konzept müsste Trump der Favorit der Wall Street sein. Doch auch wenn dieses Versprechen dort gut ankommt, löst ein möglicher Sieg Trumps bei Börsianern Sorgen aus.
Dass die Wall Street lieber den New Yorker Unternehmer und Republikaner Donald Trump als Präsident hätte als die linksliberale Demokratin Kamala Harris, scheint naheliegend. Und doch sei das nicht so einfach, sagt Peter Rosendorff, Professor für Politikwissenschaft an der New York University.
Rosendorff forscht über das Verhältnis zwischen Politik und Finanzwirtschaft und glaubt nicht, dass die Wall Street einen "klaren Favoriten" hat. Stattdessen gebe es unter den Bankern an der Wall Street "ziemlich viel Unsicherheit".
Auch Gerhard Summerer, der das Geschehen an der Wall Street für die DZ-Bank in New York verfolgt, beantwortet die Frage differenziert.
Obwohl die Stadt New York insgesamt mehrheitlich klar für die Demokraten sei, sei die Mehrheit der Menschen, die an der Wall Street im Finanzbereich arbeiten, "eher Republikaner als Demokraten", sagt Summerer. "Das heißt jedoch nicht, dass sie Fans von Donald Trump sind."
Kurzfristige Interessen gehen vor
Im Gegenteil: In der Finanzelite New Yorks galt Trump lange Zeit als der neureiche Immobilienunternehmer aus dem weniger schicken Stadtteil Queens, als Emporkömmling mit krankhaftem Geltungsdrang.
Trotzdem herrsche in der Finanzelite die Hoffnung vor, dass Trump gewinnt, "weil sie eben kurzfristig orientiert sind und gerade mit Blick auf seine Steuerversprechen davon ausgehen, dass das den Aktienmarkt beflügelt" - und darauf würden sie in erster Linie gucken.
Summerer spricht an, was Wall-Street-Bankern wichtiger ist als persönliche Abneigung: Kursgewinne und satte Gewinnmargen. Und die verspricht sich die Wall Street als Folge von Trumps Versprechen, die Unternehmenssteuern deutlich zu senken: von derzeit 21 Prozent auf nur noch 15 Prozent.
Trump wolle vor allem reichere Amerikaner entlasten, sagt auch Politikwissenschaftler Peter Rosendorff. Dazu gehörten auch die großen Investoren an der Wall Street: "Die reagieren darauf enthusiastisch."
Dagegen will Kamala Harris die Unternehmenssteuern für große Unternehmen auf 28 Prozent erhöhen, um damit kleinere Unternehmen und Normalverdiener zu entlasten. Solche Umverteilungspolitik mag die Wall Street nicht.
Sorgenvoller Blick auf die Handelspolitik
Dass Trump dennoch nicht der klare Favorit der Wall Street ist, liegt an seiner Handelspolitik. Trump will amerikanische Unternehmen mit teils drastischen Strafzöllen vor ausländischer Konkurrenz schützen: 20 Prozent auf alle ausländischen Waren, sogar 60 Prozent auf chinesische Produkte und bis zu 200 Prozent auf Autos, die in Mexiko hergestellt wurden.
Trump schreckt auch vor Handelskriegen nicht zurück - für die Wall Street wäre dies Gift. Doch auch Kamala Harris sei keine Befürworterin von freiem Handel, betont Rosendorff. Beide politische Parteien wollten US-Unternehmen vor ausländischen Importen schützen.
Was der "worst case" wäre
Unter dem Strich, so das Fazit von Summerer, sei die Wall Street weder von Trump noch von Harris begeistert. Wegen der Aussicht auf niedrigere Steuern sei Trump jedoch für viele das geringere Übel.
Politikwissenschaflter Rosendorff sieht noch einen anderen Grund für die derzeitige Unsicherheit an der Wall Street - das wahrscheinlich äußerst knappe Wahlergebnis:
"Es könnte mehrere Wochen dauern, bevor wir wirklich wissen, wer die Wahl gewonnen hat. Das bringt große Kursschwankungen mit sich. Und es könnte sein, dass die Kurse deutlich an Wert verlieren, so lange die Aktionäre abwarten."
Wochenlange Unsicherheit oder schlimmer noch ein juristischer Streit bis zum Obersten Gerichtshof, wie zuletzt nach der US-Wahl im Jahr 2000 - das wäre der "worst case", das schlechteste Szenario für die Wall Street.