US-Wahl 2024
Ukraine und die US-Wahl 2024 Kiews banger Blick in die USA
Trump behauptet, er könne sofort mit Putin eine Übereinkunft zum Ende des Krieges in der Ukraine erzielen. Das weckt in Kiew große Sorgen. Aber auch Kamala Harris wird mit gemischten Gefühlen betrachtet.
Simon, Alina und Sofia studieren Neuere- und Zeitgeschichte mit Schwerpunkt USA an der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew. Simon ist für den Republikaner Donald Trump. Als Präsident habe dieser es der Ukraine erlaubt, US-Waffen zu kaufen und Sanktionen gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 verhängt.
Simon trägt ein knallrotes T-Shirt mit dem ikonischen Foto von Trump nach dem Attentat auf ihn in Butler. Alina und Sofia befürchten dagegen, dass Trump die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine einstellen und einen Diktatfrieden erzwingen könnte. "Trump sagt, dass er den Krieg an einem Tag beenden kann. Das ist blanker Unsinn."
Milliarden-Hilfe, der weitere folgen soll
Seit dem Beginn der russischen Großinvasion erhält die Ukraine umfassende militärische, finanzielle und politische Unterstützung aus den USA.
Bis Ende Oktober 2024 flossen nach Angaben des amerikanischen Außenministeriums mehr als 64 Milliarden US-Dollar an das Land, unter anderem für die Luftverteidigung, Artilleriemunition, Raketen, Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Kampfhubschrauber, Küsten- und Patrouillenboote sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten.
Ende April bewilligte der US-Kongress noch einmal mehr als 60 Milliarden US-Dollar. Aber nicht alles, was zugesagt wurde, sei bisher angekommen, so der Militärexperte Mark Voyger gegenüber dem ARD-Studio Kiew.
Die ukrainische Armee wartet
Das kritisierte Ende Oktober auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum wiederholten Mal. Von den im April bewilligten Geldern habe die Ukraine bisher nur zehn Prozent bekommen. Das sei "nicht witzig".
Die Ukraine habe ihre Militäraktionen im Vertrauen auf die versprochene Hilfe geplant, so Selenskyj. Ohne die Hilfen der Partnerländer sei die Ukraine nicht in der Lage, ihre Verteidigungslinien aufrechtzuerhalten.
Die Ukraine blute aus und die USA müssten mehr tun, stellt auch Experte Voyger fest. Washington könne weit mehr Waffensysteme bereitstellen. So würden beispielsweise hunderte Thunderbolt-Kampfflugzeuge nicht genutzt.
"Hoffnung, dass Harris 'Eiserne Lady' wird"
Eine Präsidentin Kamala Harris könnte den Ukraine-Kurs von Joe Biden weiterführen. Voyger hofft jedoch auf mehr Härte gegenüber Russland und Wladimir Putin, wenn es darum gehe, die Ukraine zu unterstützen und sich für die euro-atlantische Sicherheit einzusetzen. "Meine geheime Hoffnung ist, dass sie eine neue 'Eiserne Lady' wie Margaret Thatcher wird", so Voyger mit einer Anspielung auf die frühere britische Premierministerin.
Dafür bräuchte Harris aber einen neuen nationalen Sicherheitsberater, konstatiert Voyger. Jake Sullivan habe kläglich abgeschnitten und Noch-Präsident Biden immer wieder Angst vor einer Eskalation gemacht.
In der Ukraine hätten aber viele Menschen Angst, dass Harris eine Art Biden 2.0 werden könnte, so der Kiewer US-Analyst Oleksandr Krajew: Unterstützung mit Waffen, Unterstützung mit Geld, und auch politische Unterstützung - aber keine radikalen Schritte.
Im Wahlkampf habe Harris der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt, jedoch ohne konkret zu werden, stellt Krajew fest. Auch in der Zeit zwischen der Wahl und der Amtseinführung im Januar 2025 müssten für die Ukraine Entscheidungen fallen.
"Uns läuft die Zeit davon", betont Krajew. "Russische Truppen rücken an mehreren Frontabschnitten immer weiter vor", mahnt auch der ukrainische Militäranalyst Vladyslav Selesniow. Die ukrainische Armee brauche dringend mehr schwere Waffen.
"Tump ist vorhersehbar, aber gefährlich"
Die Ukraine sei für Trump eine Image-Geschichte, denn er könne sich als starker Mann zeigen, der Einfluss auf Putin nehmen könne, sagt Oleksandr Krajew. Was genau das bedeute, sei unklar - und nicht im Interesse der Ukraine.
"Trump meint nicht immer, was er sagt. Er sagt oft das Eine, denkt das Andere und tut das Dritte. Er ist in seiner Unvorhersehbarkeit vorhersehbar, aber er ist gefährlich."
Voyger sieht es ähnlich. Ein Präsident Trump könnte jede weitere Hilfe einstellen und der Ukraine einen angeblichen Frieden aufzwingen wollen. Ähnlich der gescheiterten Minsker Abkommen, die nach dem Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine ab 2014 geschlossen wurden.
"Die Ukraine wäre gezwungen, ein weiteres katastrophales Waffenstillstandsabkommen wie Minsk zu unterzeichnen. Das würde Moskau eine Atempause geben und ermöglichen, sich neu zu formieren und nach ein paar Monaten oder Jahren wieder anzugreifen."
Im schlimmsten Fall würde die Ukraine sich selbst überlassen, so Voyger, der sogar einen Rückzug der USA in die internationale Isolation befürchtet. Aus seiner Sicht wäre das eine Einladung an alle Diktatoren, die Einflusszonen zu schaffen, von denen Russland und China seit langem sprechen würden.
"Abhängigkeit macht mir zu schaffen"
Was die Ukraine von Harris oder Trump erwarten kann, ist nicht klar. Kiew hofft auch deswegen auf eine stärkere Führungsrolle der europäischen Partner.
Wer für die Ukraine besser wäre, bewerten die Studierenden Alina, Simon und Sofia unterschiedlich. Dass ihre Heimat von anderen Ländern so abhängig ist, macht ihnen allen zu schaffen. Alina drückt es so aus: "Wenn ein Land im Krieg ist und seine Gebiete von einem anderen Land besetzt werden dann müsste dieses Land von allen anderen Ländern Hilfe bekommen."
Ihr Land könne nicht allein ankommen gegen eine solch starke Aggression.