US-Wahl 2024
Nach US-Wahl Was Trumps Sieg für die NATO bedeutet
US-Präsident Biden galt aus Sicht von EU und NATO als Garant für das transatlantische Bündnis. Diese Gewissheit ist wohl Geschichte. Europa hält nun den Atem an und positioniert sich neu.
Offiziell hatte Donald Trump die US-Wahl erst gegen Mittag deutscher Zeit gewonnen. Aber da waren die Glückwünsche aus dem NATO-Hauptquartier schon lange nach Übersee abgeschickt worden. Der neue NATO-Chef Mark Rutte schrieb:
Wir erleben eine steigende Zahl an globalen Herausforderungen. Dazu gehört ein immer aggressiveres Russland, Terrorismus, strategischer Wettbewerb mit China und der zunehmende Zusammenschluss zwischen China, Russland, Nordkorea und dem Iran.
Man darf davon ausgehen, dass sich Rutte diesen Text sehr genau überlegt und ein paar Schlüsselworte eingebaut hat, bei denen auch bei Trump die Alarmglocken klingeln werden. Dazu gehören Terrorismus, China, Nordkorea und Iran. Die Ukraine wird dagegen mit keinem Wort erwähnt.
Offen, was das für die Ukraine bedeutet
Es ist ein dezenter Hinweis, dass nicht nur Europa die USA, sondern auch die USA die NATO brauchen könnte. Schließlich haben die Vereinigten Staaten als einzige jemals den Beistandsartikel 5 des NATO-Vertrags in Anspruch genommen. "Einer für alle" kann für jeden gelten.
Ein Austritt aus der NATO war im US-Wahlkampf kein Thema mehr. Wohl aber die Forderung nach mehr Geld für die NATO. Wer sein Zwei-Prozent-Ziel nicht erfülle, werde auch nicht beschützt, sagte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung. Inzwischen geben mehr als zwei Drittel der NATO-Länder zwei Prozent oder mehr ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung aus. Trump könnte in seiner zweiten Amtszeit angesichts der weltweiten Konflikte allerdings noch mehr als diese zwei Prozent fordern.
Mangel an politischem Willen?
Für Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, ist die Zeit der Komfortzone jedenfalls vorbei: "Der neue US-Präsident Trump wird knallhart einfordern, dass Europa seinen Beitrag leistet", sagte sie nach der Wahl. Europa sei ein Kontinent mit rund 450 Millionen Einwohnern und einem starken Bruttosozialprodukt und könne das leisten. Aber es mangele an politischem Willen, so die FDP-Politikerin.
Deutschland als größtes EU-Mitglied wird dabei besonders im Fokus stehen. Doch Strack-Zimmermans Parteikollege Christian Linder steht auf der Schuldenbremse, und Länder wie Frankreich oder Italien sind stark verschuldet. Die Frage ist also, woher zusätzliches Geld für die Verteidigung kommen soll. Daniel Caspary, EU-Abgeordneter von der CDU, fordert andere Prioritäten in den Haushalten der einzelnen Länder. Es ist ein Thema, mit dem sich wohl auch die neue EU-Kommission befassen wird.
Zusammenhalt innerhalb der NATO
Auch ihr Generalsekretär Rutte stellt fest, dass es mittlerweile mehr Geld für die Verteidigung in der NATO gibt. "Sie werden von einer stärkeren, größeren und vereinteren Allianz empfangen", schreibt Rutte entsprechend an Trump. Dazu habe auch der Druck von Trump in seiner ersten Amtszeit beigetragen, räumt er ein.
Aber es geht nicht nur um Geld. Die große Frage, die Europa bewegt, ist, wie es mit der Ukraine weitergeht. Doch welche Ukrainepolitik Trump genau plant, ist unklar. Bis auf vage Andeutungen, er würde den Krieg in wenigen Tagen oder gar Stunden beenden, und einem Leak, laut dem er ab und zu mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert, gibt es wenig Konkretes.
Und wird Trump die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen - oder wird er vielleicht gar noch mehr liefern? Immerhin werden 68 Prozent der NATO-Militärhilfe bei amerikanischen Rüstungsfirmen bestellt. Keiner weiß, wie weit oben der Krieg in der Ukraine auf der Trump- Agenda steht. Bei seinen Wählern spielte das Thema jedenfalls so gut wie keine Rolle, nur zwei Prozent interessierten sich laut Umfragen für Außenpolitik.
Vielleicht hilft ein Deal
Damit bleibt der Krieg gegen die Ukraine vor allem ein Problem der Europäer: "Wir sind überzeugt, dass die USA wie die EU ein Interesse an einer starken und unabhängigen Ukraine haben", so der Sprecher der EU-Kommission Eric Mamer am Wahltag in Brüssel.
Und vielleicht wird die neue US-Regierung auch Interesse an den gigantischen Rohstoffen haben, die unter der ukrainischen Erde schlummern: Lithium, Kobalt, Titan. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon angeboten, dass wer sein Land verteidige auch Zugriff auf die Rohstoffe bekomme. Es wäre jedenfalls ein Deal ganz im Sinne des designierten US-Präsidenten.