Nach Karlsruher Urteil Ampelkoalition will Schuldenbremse doch aussetzen
Die Koalition will wegen des Karlsruher Urteils die Schuldenbremse auch für 2023 aussetzen. Man werde dem Bundestag vorschlagen, eine außergewöhnliche Notlage zu beschließen, erklärte Finanzminister Lindner.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für dieses Jahr erneut die Schuldenbremse aussetzen. Mit einem Nachtragshaushalt für dieses Jahr werde die Regierung dem Bundestag "einen Beschluss für die Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage für das Jahr 2023 vorschlagen", schrieb Lindner auf der Plattform X.
Dies ist die Voraussetzung für eine Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Ohne die Absicherung hätte nach dem Urteil der Karlsruher Richter im Haushalt 2023 ein Verfassungsbruch gedroht. Lindner erklärte: "Es werden keine neuen Schulden aufgenommen, sondern lediglich die bereits abgeflossenen Mittel zur Krisenbewältigung auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt."
Nachtragshaushalt für 2023 angekündigt
Lindner hatte kurz zuvor einen Nachtragshaushalt für 2023 in der kommenden Woche angekündigt. In Absprache mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ziehe er Konsequenzen aus den Vorgaben aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die Übertragung alter Notlagenkredite in den Klimafonds für verfassungswidrig erklärt.
Nouripour lobt Lindners Ankündigung
Grünen-Parteichef Omid Nouripour begrüßte Lindners Ankündigung eines Nachtragshaushalts und die damit verbundene Aussetzung der Schuldenbremse. "Herzlichen Dank dafür", sagte Nouripour zum Auftakt eines viertägigen Parteitags in Karlsruhe. Zugleich forderte er mehr Investitionen und eine Reform der Schuldenbremse. "Kaputtsparen geht nicht." Für ein funktionierendes Wasserstoffnetz, für die Industrie, für eine Ladeinfrastruktur für E-Autos und für grünen Stahl brauche es Investitionen.
Wirtschaftsminister Habeck beteuerte auf dem Grünen-Parteitag: "Ich bin für die Schuldenbremse." Doch so starr wie die Schuldenregeln einst konstruiert worden seien, passten sie nicht mehr in die aktuelle Zeit der multiplen Krisen, sagte der Grünen-Politiker. Es brauche nun "ein zeitgemäßes Update der Schuldenbremse".
Für Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, stellt sich mit der Entscheidung des Bundesfinanzministeriums auch die Frage, wie in den kommenden Jahren mit der Schuldenbremse umgegangen werden soll. "Die eine ist die Frage der Aussetzung, also zum Beispiel auch für 2024 oder 2025. Die müssen wir jetzt innerhalb der Regierung diskutieren", sagte sie dem ZDF. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil hatte zuvor bereits im Gespräch mit dem "Handelsblatt" betont, es gebe "viele politische Gründe", die Schuldenbremse auch im Jahr 2024 auszusetzen.
60 Milliarden Euro fehlen
Die Ampelkoalition hatte am Mittwoch die für kommende Woche geplante Verabschiedung des Haushalts 2024 verschoben. Durch das Karlsruher Urteil fehlen ihr in den kommenden Jahren 60 Milliarden Euro für Vorhaben der Energiewende. Lindner verhängte deshalb eine Ausgabensperre über weite Teile des Haushalts 2023 und auch für den ähnlich konstruierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), über den insbesondere die Energiepreisbremsen finanziert werden.
Die Koalition schwor Lindner auf einen strikten Sparkurs ein. "Wir reden von einem erheblichen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf", sagte der FDP-Politiker dem "Handelsblatt". "Wir reden über zweistellige Milliardenbeträge, um beispielsweise die ambitionierten Pläne zur Erneuerung der Infrastruktur und für Investitionen in Technologie umzusetzen." Sparpotenzial sieht Lindner unter anderem im Sozialetat, Steuererhöhungen lehnte er hingegen kategorisch ab.