Spardebatte nach Haushaltsurteil FDP will Sozialleistungen kürzen
Nach dem Urteil aus Karlsruhe streitet die Ampel über Wege aus der Haushaltskrise. Die Grünen fordern Änderungen der Schuldenbremse. Die FDP will Sozialleistungen prüfen. Und die SPD warnt vor einem Modernisierungsstopp.
In der Debatte über Konsequenzen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr für soziale Einschnitte ausgesprochen. "Die Koalition ist aufgefordert, Lösungen zu finden, um die Staatsfinanzen weiter zu konsolidieren. Dabei müssen wir auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann", sagte Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Tatsache ist, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann." Steuererhöhungen seien der falsche Weg, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln und den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte im Bericht aus Berlin, wie wichtig es sei, solide Finanzpolitik zu machen. "Der Staat hat kein Einnahmeproblem", sagte er. Auch deshalb schlug er Steuererhöhungen aus. "Die arbeitenden Menschen in diesem Land dürfen nicht noch weiter belastet werden."
Dröge: Bremse "belastet Wirtschaftsstandort"
Die Grünen sprachen sich gegen Sozialkürzungen und für Änderungen an der Schuldenbremse aus. "Wir Grünen werben schon seit vielen Jahren dafür, die Schuldenbremse zu reformieren, da sie ökonomisch schlecht gemacht ist", sagte Fraktionschefin Katharina Dröge dem "Tagesspiegel". Die Regel bremse notwendige Investitionen aus und sei "in ihrer jetzigen Form eine Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Jetzt zeige sich zudem, dass die Schuldenbremse auch in Krisenzeiten nicht flexibel genug sei, um Menschen und Unternehmen richtig zu unterstützen.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Über die Schuldenbremse wird seit einigen Tagen wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts debattiert, wonach Kredite für Corona-Hilfen nicht in den Klimafonds verschoben werden dürfen. Das reißt ein Loch von 60 Milliarden Euro in die Finanzplanung des Bundes.
Lang: Nicht am Sozialen sparen
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang hatte am Sonntagabend in ZDF davor gewarnt, das Land in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise hineinzusparen. Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, sagte sie, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten. "Wir wissen, dass gerade insbesondere rechte Parteien soziale Sorgen, Ängste der Menschen immer wieder mobilisieren."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet nach dem Karlsruher Urteil auch Auswirkungen auf die Energiepreisbremsen. Das Urteil beziehe sich zwar nur auf den Klima- und Transformationsfonds, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Allerdings beziehe es sich in der Begründung "im Grunde auf alle Fonds, die aufgesetzt wurden und die überjährig sind".
Zur Ankündigung von Unionsfraktionschef Friedrich Merz, auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen, sagte Habeck, das Urteil beziehe sich seiner Ansicht nach auch auf diesen Fonds. Die Union müsse nicht klagen. "Das heißt aber im Klartext, dass jedenfalls für die Zukunft (...) die Bürgerinnen und Bürger höhere Strom- und gegebenenfalls höhere Gaspreise bekommen werden." Die Dankesschreiben dafür könnten sie an die Union richten. "Sollten wir in eine Krise reingeraten, werden wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr ziehen können. Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben."
Die Preisbremsen für Strom und Gas gelten noch bis zum 31. März. Die Preise werden dabei für einen Großteil des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt - für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde. Die Marktpreise sind inzwischen aber so stark gesunken, dass die Deckel für die meisten Haushalte irrelevant sein dürften.
Habeck zu Lindners Vorschlägen: "Alles nur Gerede"
Habeck wies Vorschläge von Finanzminister Christian Lindner zurück. Die Aussage, mit weniger Subventionen Klimaschutz und den Umbau der Industrie möglich zu machen, sei leicht gesagt, kritisierte er. Der Wettbewerb sei intensiv. "Deswegen ist das erst einmal alles nur Gerede. Die Wirklichkeit sieht anders aus."
Auch Überlegungen aus der FDP, den Sozialetat zu kürzen, seien ein Zeichen für Ratlosigkeit. "Wo will man 60 Milliarden Euro Sozialleistungen kürzen? Das geht an der Dramatik der Situation dramatisch vorbei."
Klingbeil: Modernisierung nicht stoppen
Aus Sicht von SPD-Chef Lars Klingbeil darf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht zu einem Modernisierungsstopp in Deutschland führen. "Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen", sagte Klingbeil der Nachrichtenagentur dpa. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben", sagte Klingbeil. Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. "Wer das nicht sieht, hat den Ernst der Lage nicht verstanden."