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Europawahl 2024

Giorgia Meloni zeigt mit dem Finger auf Ursula von der Leyen.
Europawahl

Vor Europawahl Wie rechte Parteien die EU-Politik prägen

Stand: 07.06.2024 04:12 Uhr

Europas rechte Parteien stellen sich bei der Europawahl auf einen Stimmenzuwachs ein. Wie stark sie die EU-Politik künftig mitgestalten können, hängt auch davon ab, wer mit wem Bündnisse eingeht.

Von Olga Chladkova, ARD Brüssel

Giorgia Melonis Slogan für die Europawahl ist ein klares Versprechen an ihre Wähler: "Italien verändert Europa". Die Richtung gibt die italienische Regierungschefin klar vor: Ihr Europa ist rechts-national. Dafür ist sie bereit, neue Wege zu gehen - und dabei ist sie nicht allein: Letzten Umfragen zufolge wird das Europäische Parlament nach der Wahl deutlich nach rechts driften. Zu den Gewinnern könnten der französische "Rassemblement National" und die "Fratelli d’Italia" gehören.

Im Europaparlament sitzen die beiden Parteien bislang in verschiedenen Fraktionen. Doch wenn es nach Marine Le Pen geht, soll sich das bald ändern. In einem Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera sagte sie: "Wenn es uns gelingt, könnten wir die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament werden. Ich denke, dass wir diese Gelegenheit nicht verpassen sollten." Wie Meloni auf diese Avancen reagieren wird, ist noch unklar. Noch hält sie sich alle Optionen offen.

EVP-Bündnis mit EKR?

Melonis Partei gehört im EU-Parlament der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformern an (EKR). Die Fraktion umfasst rechtskonservative, euroskeptische bis rechtsextreme Parteien wie die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Neue Flämische Allianz (NVA) aus Belgien, die spanische Vox, die "Schwedendemokraten" und das tschechische Bürgerforum. Auch die Bewegung des französischen Demagogen Eric Zemmour hat sich dem Parteien-Bündnis angeschlossen. Meloni ist derzeit die Vorsitzende der EKR und könnte in dieser Funktion die Rolle der Königsmacherin übernehmen: Denn das Europaparlament bestimmt auch, wer die künftige Kommissionspräsidentin - oder der künftige Kommissionspräsident - wird.

2019 schaffte es Ursula von der Leyen nur mit einer knappen Mehrheit ins Amt. Auch dieses Mal wird ihr Parteibündnis, die Europäische Volkspartei (EVP), wohl Koalitionspartner brauchen, um ihr eine zweite Amtszeit zu sichern: Sozialdemokraten, Liberale und Grüne wollen sie nicht unterstützen, wenn sie ein Bündnis mit Meloni eingeht.

Sie werfen der EKR vor, nicht die Kriterien zu erfüllen, die Ursula von der Leyen als Bedingung für eine Zusammenarbeit aufgestellt hat. Von der Leyen hatte mehrmals betont, dass sie nur mit Parlamentariern zusammenarbeiten wolle, die für Europa, für den Rechtsstaat und für die Ukraine also gegen Russland seien.

Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten der EKR im Europäischen Parlament zeigt, dass sie regelmäßig gegen Entschließungen zum besseren Schutz der Rechtsstaatlichkeit gestimmt hat. Das gleiche gilt bei Abstimmungen zur Wahrung der Pressefreiheit oder Texten die homophobe Gewaltangriffe verurteilten.

Kein Franktionszwang - viele Möglichkeiten?

Während die EKR am Anfang der Legislaturperiode ein ähnliches Stimmverhalten wie die Europäische Volkspartei aufwies, ähnelte ihr Abstimmungsverhalten gegen Ende der Legislaturperiode immer häufiger der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie (ID). Ihr gehört der Rassemblement National und bis vor kurzem auch die AfD an.

Beide Fraktionen stimmten gegen zentrale Gesetze des Green Deal und fordern eine viel härtere Migrationspolitik. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen der EKR und der ID ist ihre Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine: Dort vertritt die EKR eine klar Putin-kritische Haltung.

Diesen Unterschied halten viele Kritiker auch für ein entscheidendes Hindernis für ein gemeinsames Parteienbündnis zwischen Le Pen und Meloni. Doch vielleicht braucht es gar kein neues Parteienbündnis, damit letztere ihr Wahlversprechen einlösen kann. Denn im Europäischen Parlament gibt es keinen Fraktionszwang. Somit könnten sich je nach Politikfeld immer wieder neue Bündnisse bilden, die dazu führen, dass Europa eine härtere Migrationspolitik mit weniger Klimaschutz, dafür aber mehr Nationalstaat bekommt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Juni 2024 um 16:54 Uhr.