Sirenen und Cell Broadcast Was am Warntag wichtig ist
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal war klar: Deutschland muss beim Katastrophenschutz besser werden. Heute sollen bundesweit die Warnsysteme getestet werden. Wie sie funktionieren und worauf man achten muss.
Die Ausgangslage
Spätestens die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hat gezeigt, wie wichtig funktionierende Warnsysteme sind. Damals wurden viele Menschen nicht rechtzeitig über die Gefahr informiert. Seitdem ist klar: Deutschland muss beim Bevölkerungsschutz besser werden. Nun sollen die Sirenennetze ausgebaut werden. Außerdem wurde beschlossen, ein bundesweites System für das sogenannte Cell Broadcasting aufzubauen, mit dem Handynutzer über Katastrophenwarnungen informiert werden.
Was passiert heute um 11 Uhr?
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) löst um 11 Uhr in ganz Deutschland einen Probealarm der höchsten Warnstufe 1 aus. Da es sich nur um einen Test handelt, müssen die Menschen, die diese Warnung empfangen, nichts tun. Um 11.45 Uhr kommt dann die Entwarnung.
Im Ernstfall wird die höchste Warnstufe nur ausgelöst, wenn in einer Region akute Gefahr droht, etwa durch hochgiftiges Gas, das nach einem Unfall in einer Industrieanlage austritt, oder durch eine Sturmflut. Warnstufe 2 bedeutet, es droht eine ernste Gefahr, beispielsweise durch abbrechende Äste oder herumfliegende Dachschindeln bei einem sehr starken Sturm. Warnstufe 3 weist auf ein Ereignis hin, das den normalen Tagesablauf beeinträchtigen kann, wie etwa Glättegefahr.
Auf welchem Weg wird gewarnt?
Auf verschiedenen Kanälen. Die Warnungsmitteilung kommt über Radio und Fernsehen, über Warn-Apps wie NINA oder Katwarn. Sie wird auf Stadtinformationstafeln zu lesen sein. Zusätzlich werden Sirenen, Lautsprecherwagen und die Infosysteme der Deutschen Bahn genutzt. Erstmals wird auch das Cell-Broadcast-Verfahren zum Einsatz kommen.
Die Warnungen werden vom BBK direkt ausgelöst. Der Bund betreibt ein sogenanntes Modulares Warnsystem, das er gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen nutzt. Darüber können über Satellit und kabelgebunden Warnmeldungen abgesetzt werden. Die Meldungen werden dann an Multiplikatoren geschickt, also Medien, Hilfs- und Rettungsdienste sowie Warnapp-Betreiber.
Was ist das Cell-Broadcast-System?
Mit Cell Broadcast sollen alle Besitzer eines Mobiltelefons über Katastrophenmeldungen informiert werden. Das funktioniert, indem eine Warnnachricht an alle kompatiblen Geräte geschickt werden, die in einer Zelle eingebucht sind - daher auch der Name. Der Warntext soll dann ohne Zusatzanwendung direkt auf dem Bildschirm erscheinen, außerdem soll ein lautes Tonsignal ertönen. Die Nachricht kann bis zu 500 Zeichen lang sein und Links ins Internet, etwa zum offiziellen Warnportal des Bundes, enthalten. Cell Broadcast hat den Vorteil, das man gleichzeitig alle Handys ansteuern kann, deren Besitzer sich zum Zeitpunkt der Warnung in einer bestimmten Funkzelle aufhalten - und zwar ohne dass die warnende Behörde dafür die Nummer und ihre Besitzer kennen muss.
In anderen Ländern wie den USA, China, Japan und Kanada gibt es solche Systeme längst. Auch Indien, Brasilien, Italien, Frankreich und Großbritannien haben sie umgesetzt oder sind gerade noch dabei.
Was muss ich tun, um auf dem Handy gewarnt zu werden?
Um Warnhinweise auf das Mobiltelefon zu bekommen, muss das Gerät mit Cell Broadcast kompatibel, eingeschaltet und empfangsbereit sein. Die Smartphones von Apple sind ab dem iPhone 6s einsatzfähig, wenn das Betriebssystem auf dem neuesten Stand ist. Mobiltelefone mit dem Google-Betriebssystem Android sind von Version 11 an aufwärts mit dem Warnsystem kompatibel. Bei manchen Geräten muss der Empfang manuell aktiviert werden: beim iPhone im Menüpunkt "Mitteilungen" ganz unten, bei Android-Geräten in der Regel über ein Untermenü wie "Sicherheit und Notfall".
Zusätzlich raten die Behörden auch dazu, die NINA-Warnapp zu installieren. NINA steht für Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes. Darin werden konkrete Auskünfte gegeben, wovor gewarnt wird und wie man im Notfall reagieren sollte.
Wird überall ein Sirenensignal zu hören sein?
Nein, es hängt davon ab, ob es in der Nähe eine funktionstüchtige Sirene gibt. Nach dem Kalten Krieg war man vielerorts der Meinung, Sirenen würden nicht mehr gebraucht. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und auch mit Blick auf die Zunahme von Wetterextremen, wie etwa Starkregen, hat hier jedoch ein Umdenken stattgefunden.
Das BBK bemüht sich, ein sogenanntes Warnmittelkataster zu erstellen - also eine Karte, auf der alle Sirenen und in Zukunft auch andere Warnmittel verzeichnet sind. Abgeschlossen ist dieser Prozess aber noch nicht. Bekannt ist jedoch, dass die Länder dem Bund, der die Installation und Reparatur von Sirenen finanziell fördert, bislang rund 35.000 Sirenen gemeldet haben.
Vielerorts wird es also still bleiben. Die Berliner Stadtverwaltung etwa teilte mit: "Die Sirenen, die aktuell in Berlin errichtet werden, können zum Warntag noch nicht angesteuert werden." Auch in Osnabrück wird es beispielsweise kein Sirenengeheul geben, weil noch nicht alle der vorgesehenen 27 Sirenen montiert seien, wie die Stadt mitteilte.
Warum gibt es den Warntag?
Sinn des Warntags ist, die bestehenden Warnsysteme zu prüfen und technische Verfahren zu testen. Außerdem sollen Menschen mit den Abläufen vertraut gemacht und für das Thema sensibilisiert werden - damit sie im Notfall wissen, wie sie sich am besten verhalten und wo sie weitere Informationen finden. Es gehe nicht darum, Panik zu verbreiten, sondern handlungsfähig zu bleiben, sagte der Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Ralph Tiesler. Dazu gehöre im Ernstfall auch, Nachbarn, Freunde und Verwandte zu informieren.
Beim ersten bundesweiten Warntag im September 2020 gab es erhebliche Pannen. Die Testwarnung des BBK verzögerte sich um 30 Minuten. Das Bundesinnenministerium hatte den Probealarm deshalb damals als "fehlgeschlagen" bezeichnet. Der damalige Behördenchef Christoph Unger musste zurücktreten. Seitdem sollten das Amt und die Abläufe neu ausgerichtet werden. 2021 fiel der Warntag komplett aus. Bund und Länder verwiesen zur Begründung auf die noch laufenden technischen und organisatorischen Veränderungen nach den Pannen des Vorjahres und den Erfahrungen bei der Flutkatastrophe im Sommer.
Dies ist ein Probealarm. Was passiert im Ernstfall?
Das hängt davon ab, welches Gebiet betroffen ist und wovon die Gefahr ausgeht. Generell gilt: Im Kriegsfall trägt das BBK in Abstimmung mit anderen Einrichtungen des Bundes die Verantwortung. Um den Katastrophenschutz in Friedenszeiten kümmern sich die Länder und Kommunen. In der baden-württembergischen Gemeinde Murr warnte die Leitstelle des Landkreises Ludwigsburg beispielsweise Ende November vor einer Trinkwasserverschmutzung. Über die NINA-Warnapp wurde den Einwohnern empfohlen, das Wasser abzukochen. Die NINA-App haben rund 13 Millionen Menschen heruntergeladen. Wie viele Bürgerinnen und Bürger die App aber bis heute auf dem Smartphone haben und nutzen, ist nicht bekannt.