Das Wort "Impfung" steht auf dem Boden einer Apotheke.
FAQ

Rechtliche Lage Allgemeine Impfpflicht - was heißt das?

Stand: 03.12.2021 04:18 Uhr

Eine allgemeine Impfpflicht wird immer wahrscheinlicher - doch was bedeutet das konkret? Mit welchen Strafen hätten Impfverweigerer zu rechnen? Wie ist die Rechtslage?

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Wäre eine allgemeine Impfpflicht rechtlich zulässig?

Vor einem halben Jahr, in der damaligen Situation, hätte man wohl sagen müssen: nein. Denn eine Impfpflicht ist auf jeden Fall ein gravierender Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Damit dieser Eingriff gerechtfertigt und damit zulässig ist, muss der Staat vorher alle anderen Mittel ausgeschöpft haben. Und genau da war vor einem halben Jahr noch Luft nach oben. Schneller und umfangreicher impfen zum Beispiel.

Aber die Lage hat sich geändert. Weniger Menschen als gedacht lassen sich impfen. Gleichzeitig ist die Corona-Lage weiter dramatisch. Das wirkt sich auch rechtlich aus.

Inzwischen lässt sich wohl durchaus begründen, dass eine allgemeine Impfpflicht in der aktuellen Situation rechtlich zulässig wäre. Weil die milderen Mittel, um die Pandemie zu bekämpfen, gerade immer weniger werden. Und weil die Impfpflicht im Vergleich zu einem harten Lockdown mit Einschränkungen für ganz viele Menschen durchaus ein milderes Mittel sein kann.

Viele Verfassungsrechtlerinnen und -rechtler vertreten diese Ansicht derzeit. Gerichtlich ist die Frage nicht abschließend geklärt. Die Politik hat nun den ersten Aufschlag. Voraussetzung für eine rechtmäßige Impfpflicht wäre aber auf jeden Fall: Sobald sie im Gesetz stünde, müssten auch wirklich alle sofort einen Impftermin bekommen können. Wochenlange Wartezeiten dürfte es dann nicht mehr geben.

Wie wird die Einführung der Impfpflicht in der nächsten Zeit ablaufen?

Der Bundestag müsste die Impfpflicht per Gesetz beschließen. Und dabei zum Beispiel auch prüfen, welche Ausnahmen es geben muss. Manche Menschen können sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen. Und wie geht man mit Kindern und Jugendlichen um?

Außerdem sollte man die ganz praktischen Fragen rund um so eine Impfpflicht nicht unterschätzen. Wie organisiert man das genau? Ein allgemeines Impfregister wie in anderen Staaten gibt es in Deutschland nicht. Möchte man so etwas einführen?

Oder setzt man einfach auf intensive Kontrollen der Polizei- und Ordnungsbehörden an vielen verschiedenen Orten? Es gibt jedenfalls noch einige offene Fragen bei diesem Thema.

Was droht, wenn man nicht geimpft ist? Könnte man die Menschen zum Impfen zwingen?

Nein. Eine Impfpflicht würde nicht bedeuten, dass der Staat die Menschen mit körperlichem Zwang impft. Etwa indem der eine Polizist jemanden festhält, und der andere die Spritze injiziert. Das wäre rechtlich nicht zulässig.

Was realistisch ist: Wer keine Impfung nachweisen kann, der könnte eine Sanktion bekommen, zum Beispiel ein Bußgeld. Das würde einem typischen Ablauf folgen.

Es gibt in unserem Alltag viele gesetzliche Pflichten, bei denen auf einen Verstoß ein Bußgeld folgt. Etwa die Gurtpflicht im Auto. Da schnallt einen der Polizist auch nicht eigenhändig an. Aber wer ohne Gurt erwischt wird, muss zahlen. Wie genau mögliche Sanktionen aussehen, und wie teuer eine fehlende Impfung werden könnte, ist noch offen.

Ändert eine Impfpflicht etwas an der Haftung des Staates für Impfschäden?

Nein, daran ändert sich nichts. Wenn die zuständigen Behörden eine Impfung empfohlen haben - dabei bleibt es ja auf jeden Fall -, und es kommt zu einem "Impfschaden", dann muss der Staat laut Gesetz Heil- und Behandlungskosten und womöglich auch eine Rente bezahlen.

Der Gedanke dahinter lautet: Die Menschen impfen sich ja nicht allein zum eigenen Schutz, sondern auch im Interesse des Staates zum Schutze anderer. Deshalb sollen sie versorgt sein, wenn ihnen was passiert. "Impfschaden" bedeutet, dass die Folgen über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehen müssen. Normale Impfreaktionen wie Ausschläge, Fieber, Kopfschmerzen gehören nicht dazu.

Gibt es bereits eine Impfpflicht in bestimmten Bereichen?

Ja, für eine andere Impfung als gegen Corona. Seit März 2020 ist eine Masern-Impfung verpflichtend etwa für Kinder, Lehrer und Betreuer in Kitas und Schulen. Über eine Verfassungsbeschwerde gegen diese teilweise Impfpflicht außerhalb von Corona hat das Bundesverfassungsgericht bislang nicht abschließend entschieden.

Frank Bräutigam, Frank Bräutigam, SWR, 02.12.2021 17:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 03. Dezember 2021 um 06:02 Uhr.