Koalitionsoptionen im Osten CDU ringt um ihre Haltung zum BSW
Für die Regierungsbildung könnte es nach den Landtagswahlen im Osten auch auf Wagenknechts Bündnis ankommen. CDU-Landespolitiker gehen einerseits auf Attacke - wollen sich aber auch Optionen mit dem BSW offen halten.
Zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zeichnet sich in beiden Ländern eine schwierige Regierungsbildung ab. In den Gedankenspielen um mögliche Koalitionen rückt dabei mehr und mehr der Umgang mit dem neu gegründeten BSW von Sahra Wagenknecht in den Fokus.
Für Unmut sorgt dabei in den Reihen der CDU jedoch Wagenknechts Versuch, Bedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit zu bestimmen.
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer übt Kritik
"Die Zeiten vom Politbüro sind vorbei, wo jemand in Berlin entscheiden konnte, was vor Ort passiert", sagte der sächsische Ministerpräsident und CDU-Wahlkämpfer Michael Kretschmer. Wagenknecht habe "ein seltenes Talent (..), Dinge zu zerstören. Richtig etwas aufzubauen, ist ihr noch nie gelungen. Und so ist es diesmal auch", sagte Kretschmer. Er kritisierte Eingriffe, eigenartige Koppelgeschäfte und von Wagenknecht gezogene rote Linien.
Ministerpräsident Michael Kretschmer kämpft in Sachsen um seine Wiederwahl
Haltung zum Ukraine-Krieg
Wagenknecht will Koalitionen in den Ländern auch von der Haltung möglicher Partner zum Krieg in der Ukraine abhängig machen. Zuletzt hatte sie als Bedingung für eine Koalition auf Landesebene eine Ablehnung der Pläne genannt, neue Mittelstreckenraketen der USA in Deutschland zu stationieren.
Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sieht in diesen Bedingungen vor allem Signale der Partei an die eigene Wählerschaft und an noch Unentschlossene. "Ich glaube, das sind Bedingungen, die den Wählerinnen und Wählern noch einmal versichern sollen, dass die Partei hier fest ist in ihren Grundsätzen", sagt er. Bei Koalitionsverhandlungen sei es auf Landesebene sicher möglich, Lösungen zu finden. "Es ist ein Pflock, den man einrammt, aber es ist keine Brandmauer."
Zweifel am Regierungswillen des BSW
Der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Brandenburg am 22. September, Jan Redmann, äußerte allerdings Zweifel, ob die Partei nach der Wahl so weit gehen würde. "Mir ist unklar, ob das BSW überhaupt in den Ländern ernsthaft regieren möchte", sagte er. Wenn dem so wäre, müsse sich das BSW auf landespolitische Diskussionen einlassen.
Er habe aber "den Eindruck, dass Sahra Wagenknecht gerade Positionen auf der Bundesebene aufbaut, um gerade Koalitionen in den Ländern zu verhindern. Dass ihr Ziel also gar nicht ist, dass seriös sondiert werden kann in den Ländern." Es stelle sich die Frage, wie die BSW-Spitzenkandidaten und -Vorsitzenden in den Landesverbänden damit umgingen - "ob sie hier nur Bote von Botschaften von Sahra Wagenknecht sind oder ob sie auch selbstbewusst Politik für Sachsen, für Thüringen und Brandenburg machen".
Zugleich betonte Redmann, die CDU-Linie sei klar: "Wir haben Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit AfD und mit Linkspartei, nicht im Hinblick auf das BSW." Insofern müsse sich "angeschaut werden, ob es da Schnittmengen gibt". Auf landespolitischer Ebene könne er durchaus Schnittmengen erkennen.
Vor allem in Thüringen wird seit Wochen über eine mögliche Regierungsbeteiligung des BSW diskutiert. Eine Zusammenarbeit von CDU, BSW und SPD scheint nach Umfragen derzeit Thüringens einzige Möglichkeit auf eine Mehrheitsregierung an der AfD vorbei zu sein.
CDU-Chef Merz kann sich "viel vorstellen"
Die Bundesparteien CDU und SPD wollen ihren Landesverbänden freie Hand lassen. CDU-Chef Friedrich Merz will seinen Parteifreunden im Osten zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen keine öffentlichen Ratschläge zum Umgang mit dem BSW geben.
Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass das BSW nach den Wahlen wichtige politische Punkte für mögliche Verhandlungen vorgeben könne, erwiderte Merz beim TV-Sender Sat.1: "Ich kann mir viel vorstellen, aber ich mache im Augenblick Wahlkampf für die CDU, für Michael Kretschmer, für Mario Voigt in Sachsen und in Thüringen." Es werde nach der Wahl zunächst einmal an den beiden sein, das Wahlergebnis zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.
Bereits am vergangenen Wochenende bekräftigte SPD-Chefin Saskia Esken, die Landesverbände brauchten den Rat der Bundesebene in der Frage nicht.
Spahn vertraut den Landesverbänden
CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn warnte vor den Wahlen allerdings auch vor Koalitionsdebatten. Die Menschen wollten wissen, wo die Unterschiede in der Bildungspolitik, bei der inneren Sicherheit und bei der Migration oder in der Wirtschaftspolitik seien. "Ansonsten habe ich großes Vertrauen darin, dass die Landesverbände kluge Entscheidungen treffen werden", ergänzte Spahn.
"Für die CDU toxisch"?
Von außerhalb der ostdeutschen Bundesländer melden sich in der CDU jedoch auch gänzlich ablehnende Stimmen zu Wort. "Jede Zusammenarbeit mit dem BSW wäre für die CDU toxisch", warnte etwa der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke im Berliner "Tagesspiegel".
Ablehnung kommt aus Europa
"Wir als CDU haben eine Verantwortung für Deutschland und Europa", sagte Radtke weiter. "Da können wir nicht mit Putin-Helfern koalieren oder kooperieren", fügte er mit Blick auf die Nähe zwischen BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und weiteren BSW-Politikerinnen und -Politikern zu Positionen der russischen Führung um Präsident Wladimir Putin hinzu.
"Viele Menschen in Deutschland wählen CDU, weil wir pro Westbindung, pro Bundeswehr, pro NATO, pro Europa sind", sagte dazu Radtke. "Wollen wir die wirklich verprellen?", fragte er. Auch der Hinweis auf möglicherweise schwierige Mehrheitsbildungen in Thüringen und Sachsen nach den Landtagswahlen überzeuge ihn nicht: Dass "wir als CDU mit dem BSW koalieren, um dann eine etwas weniger fürchterliche Konstellation zu schaffen" als BSW und AfD, "leuchtet mir nicht ein".