Parteitag in Riesa Weidel ist AfD-Kanzlerkandidatin
Die AfD hat erstmals eine eigene Kanzlerkandidatin aufgestellt: Auf dem Bundesparteitag wurde Partei- und Fraktionschefin Weidel gewählt. Das Treffen hatte wegen massiver Proteste mit stundenlanger Verspätung begonnen.
Der AfD-Bundesparteitag in Riesa hat die Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel einstimmig zur Kanzlerkandidatin gewählt. Sie wurde per Akklamation durch Aufstehen gekürt - eine Abstimmung mit Auszählung der Stimmen gab es nicht.
Mit der 45-Jährigen kürte die Partei erstmals in ihrer Geschichte eine Kanzlerkandidatin. Ziel sei die Übernahme der Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl, sagte der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla.
Bei früheren Bundestagswahlen hatte die AfD auf die Aufstellung eines eigenen Kanzlerkandidaten verzichtet. Weidel war aber schon 2017 und 2021 Teil eines Spitzenkandidaten-Duos für Bundestagswahlen.
Weidel spricht offen von geplanter "Remigration"
In ihrer Rede kurz nach der Wahl skizzierte Weidel, welche Maßnahmen sie in den ersten 100 Tagen nach einer Machtübernahme umsetzen wolle. Sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen, würden die deutschen Grenzen "dicht" gemacht und es werde "Rückführungen in großem Stil" geben, sagte Weidel. Dabei machte sie sich ausdrücklich auch den umstrittenen Begriff "Remigration" zu eigen: "Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration", sagte sie unter dem Jubel der Delegierten.
Weiter kündigte sie an, dass eine Regierung unter ihrer Beteiligung "alle Windräder niederreißen" werde. Zudem werde eine AfD-Regierung funktionsfähige Kernkraftwerke "natürlich wieder ans Netz nehmen". Für Kohlekraftwerke forderte sie längere Laufzeiten.
"Schließen alle Gender Studies"
Weidel stellte zudem in Aussicht: "Wir schließen alle Gender Studies - und schmeißen alle diese Professoren raus". Die AfD-Kanzlerkandidatin, deren Partei vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextremistisch eingestuft wird, beklagte, dass Universitäten in Deutschland zu "queer-woken Kaderschmieden" gemacht würden.
Weidel versprach außerdem, dass Deutschland wieder russisches Gas aus der "Nord Stream"-Pipeline durch die Ostsee beziehen wird. Sie bedankte sich zudem bei Techmilliardär Elon Musk, mit dem sie kurz zuvor auf der Online-Plattform X ein öffentliches und kontrovers diskutiertes Gespräch geführt hatte.
In der Tagungshalle will die AfD neben der Kandidatinnenkür ihr Programm für die Bundestagswahl am 23. Februar beschließen.
Massive Verspätung wegen Protesten
Zuvor hatte das Treffen mit mehr als zwei Stunden Verspätung begonnen. Wegen zahlreicher Blockaden durch Gegendemonstranten verzögerte sich die Anreise vieler der rund 600 Delegierten. Das zweitägige Treffen sollte um 10 Uhr beginnen und startete schließlich erst einige Minuten nach 12 Uhr.
Verschiedene Mitglieder des Bundesvorstandes waren nach eigenen Angaben frühzeitig mit Bussen unter Polizeibegleitung problemlos angereist. Bei anderen AfD-Vertretern gab es große Verzögerungen, weil sie wegen Blockaden im Stau standen. Auch das Auto der Parteivorsitzenden Alice Weidel wurde nach Angaben aus Parteikreisen von Demonstrierenden aufgehalten.
Chrupalla machte den Demonstrierenden zur Eröffnung des Parteitags schwere Vorwürfe. Wer Parteitagsteilnehmer bedrohe und Polizisten angreife, verhalte sich "wie Antidemokraten und Terroristen", sagte er. Chrupalla dankte den Sicherheitskräften für ihren Einsatz.
Demonstration in Riesa gegen AfD
Laut Angaben des Aktionsbündnisses "widersetzen" protestierten am Morgen mehr als 12.000 "Menschen aus Gewerkschaften, Parteien, Kirchenchören, Antifa-Gruppen, der Klimagerechtigkeitsbewegung, migrantischen Organisationen und vielen anderen Gruppen" in Riesa. Einzelne Gruppen blockierten die Zufahrtswege zum Veranstaltungsort. Die Polizei ging laut eigenen Angaben von rund 10.000 Menschen im gesamten Stadtgebiet aus.
Eine Sprecherin von "widersetzen" bezeichnete den Auftakt der Aktionen als "vollen Erfolg". Der Nachrichtenagentur AFP sagte sie: "Das ist die größte Demonstration, die Riesa je gesehen hat." Erklärtes Ziel von "widersetzen" ist es, "massenhaften zivilen Ungehorsam gegen den AfD-Bundesparteitag" zu organisieren.
Einige Teilnehmer richteten Vorwürfe an die Polizei, dass sie von ihr am Weg zur Halle gehindert worden seien und mit einiger Entfernung zum Veranstaltungsort demonstrieren mussten.
"Dynamische" Lage in den Morgenstunden
Zwischenzeitlich sei es "dynamisch" in der Stadt gewesen, sagte ein Polizeisprecher, "vor allem in den dunkleren Morgenstunden". Teilweise hätten Demonstrierende zurückgedrängt werden müssen. Vereinzelt habe es Versuche gegeben, Absperrungen zu durchbrechen. Am Vormittag entspannte sich demnach die Lage.
Die Polizei räumte Sitzblockaden - so etwa an einer Kreuzung zur Auffahrt der B169. Nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur dpa wurde auch Pfefferspray eingesetzt, um eingekesselte Polizeiwagen herauszufahren. Demonstrierende hatten die Reifenventile mehrerer Polizeiwagen herausgedreht, Polizeiautos wurden mit polizeifeindlichen Slogans beschmiert. Mancherorts flog Pyrotechnik.
"Im Verlauf des Einsatzes sind bislang sechs Einsatzkräfte leicht verletzt worden", teilte die Polizei auf X mit. "Unser Einsatz anlässlich des Bundesparteitags in Riesa sowie dem damit verbundenen Gegenprotest läuft weiter", hieß es.
Über mögliche verletzte Demonstranten wurden zunächst keine Angaben gemacht.