Ukraine-Krieg Warum sich die Bundeswehr neu aufstellt
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage verändert - auch für die Bundeswehr. Künftig werden Aufgaben der Bundeswehr im Inland in einem "Territorialen Führungskommando" gebündelt. Was heißt das konkret?
Welche Aufgaben hat das "Territoriale Führungskommando"?
Das neue Kommando mit Sitz in Berlin ist für alle Bundeswehr-Aktivitäten im Rahmen des Heimatschutzes und der Katastrophenhilfe zuständig - also für Aufgaben auf deutschem Territorium. Daher der Name der Einheit: "Territoriales Führungskommando".
Es soll sicherstellen, dass die Bundeswehr bei Notlagen im Inland ihren Beitrag zur Krisenbewältigung leistet. In der Vergangenheit haben Soldatinnen und Soldaten den Behörden vor Ort beispielsweise dabei geholfen, die Corona-Pandemie zu bewältigen, Sandsäcke an Deichen aufzutürmen, Schneisen bei Waldbränden zu schlagen oder Dächer von Schneebergen zu befreien.
Künftig könnten sogenannte hybride Bedrohungen wichtiger werden - also eine Kombination aus militärischen Attacken, wirtschaftlichem Druck und Hackerangriffen auf kritische Infrastruktur wie Kraftwerke oder Krankenhäuser.
In solchen Lagen steuert in Zukunft das neue Kommando die Heimatschutz-Ressourcen aller Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche, zu denen etwa Heer, Luftwaffe, Marine und Sanitätsdienst zählen. Bisher sind die territorialen Aufgaben der Truppe auf viele Bereiche verteilt. Jetzt werden sie zum ersten Mal unter einem Dach gebündelt.
Was hat das neue Kommando mit der veränderten Sicherheitslage in Europa zu tun?
Auslöser für die Einrichtung des "Territorialen Führungskommandos" war der russische Überfall auf die Ukraine. Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) entschieden, die Führungsstrukturen der Bundeswehr mit Blick auf den Heimatschutz zu bündeln.
Ziel ist es, dass sich die Truppe auf ihren Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren kann. Teilstreitkräfte und andere Akteure sollen in die Lage versetzt werden, noch schneller auf Krisensituationen zu reagieren und die Bevölkerung zu schützen.
Außerdem setzt die Bundesregierung darauf, dass mit der neuen Führungsstruktur die Zusammenarbeit von Bundeswehr und zivilen Behörden erleichtert wird - ob in Katastrophenlagen oder im Szenario des Verteidigungsfalls. Denn mit dem neuen Kommando haben zivile Akteure wie kommunale Ämter, Polizei, Feuerwehr und das Technische Hilfswerk nun einen zentralen Ansprechpartner bei der Bundeswehr.
Ist das neue Kommando auch für NATO-Verpflichtungen zuständig?
Deutschland spielt für NATO und EU wegen seiner zentralen Lage in Europa eine wichtige Rolle als Drehscheibe für Militärtransporte. Das neue Kommando in Berlin ist dafür verantwortlich, deutsche Truppen entsprechend den Anforderungen des Bündnisses zu verlegen.
Außerdem leistet die Bundeswehr in diesem Zusammenhang "Host Nation Support", wie es im Militärjargon heißt. Das Kommando unterstützt also andere NATO-Länder dabei, Truppen innerhalb Deutschlands zu transportieren und unterzubringen.
Solchen Aufgaben kommt bei der Stärkung der NATO-Ostgrenze eine große Bedeutung zu: Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg will das Bündnis seine Präsenz in Osteuropa ausbauen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, in möglichst kurzer Zeit Einheiten zu verlegen.
Wer leitet das neue Kommando?
Befehlshaber der neuen Einheit ist Carsten Breuer. Der Generalleutnant hat schon den Corona-Krisenstab im Kanzleramt gemanagt. Diese Erfahrung will er in seinem neuen Job einbringen. Das Kommando soll nach seinen Worten im Ernstfall die "Hülle für einen nationalen Krisenstab zur Verfügung stellen".
Die Bundeswehr hält also Personal und Technik bereit, damit die Bundesregierung Fachleute und Entscheidungsträger künftig schneller versammeln kann. In Breuers Einheit werden 550 militärische und 250 zivile Beschäftigte arbeiten. Dem zentralen Kommando in Berlin sind unter anderem die 16 Landeskommandos, die Heimatschutzkräfte der Bundeswehr und das Kommando für die zivil-militärische Zusammenarbeit unterstellt.
Wie arbeitet die neue Einheit?
Herzstück des "Territorialen Führungskommandos" ist die sogenannte Operationszentrale. Sie soll an jedem Wochentag rund um die Uhr besetzt sein. Der Befehlshaber des Kommandos, Carsten Breuer, beschreibt die Arbeitsweise der Operationszentrale so: "Sie bewertet offene Quellen, wertet aber auch Informationen aus, die militärisch eingestuft sind und führt das Ganze in einem territorialen Lagebild zusammen."
Das Lagebild zeige dann, wo gehandelt werden müsse. Als entscheidenden Vorteil des neuen Kommandos nennt Breuer eine "robuste Führungsfähigkeit" in ganz unterschiedlichen Situationen - von Hilfseinsätzen in Friedenszeiten bis zum Verteidigungsfall.
Unabhängig vom jeweiligen Szenario soll also in Zukunft klar sein, wer bei Aktivitäten der Bundeswehr im Inland den Hut auf hat. Für Auslandseinsätze bleibt dagegen eine andere Bundeswehreinheit zuständig: das Einsatzführungskommando in Schwielowsee bei Potsdam.