Sachsens Landespolitik Zwischen Kampfansage und Verteidigung
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer will dem Rechtsextremismus die Stirn bieten: mit mehr Polizei und einem harten Vorgehen gegen die Straftäter. Dabei baut er auch auf die Bürger.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat nach den Ausschreitungen und der Gewalt in Chemnitz eine entschiedene Reaktion angekündigt. "Der sächsische Staat ist handlungsfähig - und er handelt", betonte Kretschmer. Gegen die Straftäter werde hart vorgegangen werden, Täter "auf allen Seiten" würden wegen ihrer Vergehen "dingfest gemacht werden".
An den Krawallen war auch ein harter Kern gewaltbereiter Rechtsextremer beteiligt. Die Polizei leitete mehrere Ermittlungsverfahren ein - unter anderem, weil Demoteilnehmer den Hitlergruß gezeigt hatten. Videos im Internet zeigten, wie Ausländer angegriffen oder verfolgt wurden. Insgesamt gingen bei der Polizei 43 Anzeigen ein, einige wegen Körperverletzung, aber auch wegen mutmaßlichem Landfriedensbruch oder Verstößen gegen die Versammlungsfreiheit.
Polizeikräfte sollen verstärkt werden
Um Vorfälle wie in Chemnitz künftig zu verhindern, werde das Bundesland zahlreiche weitere Beamte in die Stadt schicken, versprach Kretschmer. Die zusätzlichen Einheiten sollten etwa durch die Bereitschaftspolizei gestellt werden. Zudem bot Bundesinnenminister Horst Seehofer Sachsens Polizei Unterstützung durch den Bund an.
An der linksorientierten Demonstration am Montag hatten sich laut Polizei rund 1500 Menschen beteiligt, bei dem Demonstrationszug des rechtspopulistischen Bündnisses "Pro Chemnitz" kamen demnach rund 6000 Teilnehmer zusammen. Bei beiden Demonstrationen hatte die Polizei mit deutlich geringerer Beteiligung gerechnet. Knapp 600 Beamte waren am Montag im Einsatz, um für Sicherheit zu sorgen.
Für Donnerstag hat "Pro Chemnitz" nach Angaben der Stadtverwaltung erneut eine Kundgebung mit 500 Teilnehmern angemeldet. Am Samstag hat die AfD Sachsen in Dresden zu einer Demonstration aufgerufen. Auch hier wurden 500 Teilnehmer angekündigt.
Bislang liegen 43 Anzeigen vor - unter anderem wegen
- des Verdachts auf Landfriedensbruchs (zwei Fälle),
- das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (zehn),
- Körperverletzungsdelikten (elf)
- und Verstößen gegen das Sächsische Versammlungsgesetz (drei).
Auf der Versammlung, zu der die Gruppierung "Pro Chemnitz" augerufen hatte, seien Personen aus "dem rechten Spektrum und der gewaltbereiten Fußballszene" präsent gewesen.
Politik stellt sich schützend vor Polizei
Der Landespolizeipräsident Jürgen Georgie verteidigte den Polizeieinsatz. Man habe die Prognosen, wie viele Menschen an den Protesten teilnehmen werden, bereits hoch angesetzt - sie waren aber "überraschend hoch" übertroffen worden. Auch Kretschmer stellte sich schützend vor die Polizei. Sie habe "hervorragende Arbeit" gemacht.
Im Interview mit dem Deutschlandfunk schlug der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, den gleichen Tenor an und blockte Vorwürfe ab, die Polizei sei nicht ausreichend gewappnet gewesen: "Ich denke, dass die sächsische Polizei am gestrigen Tag durchaus vorbereitet war und dass es auch gelungen ist, Recht und Ordnung durchzusetzen." Schlimmeres sei vermieden worden, auch wenn eine "enorm große" Zahl von teils gewaltbereiten Menschen den zweiten Tag in Folge in Chemnitz demonstriert habe.
Testen Rechtspopulisten Grenzen aus?
Kretschmer sprach von einem "Test", dem Sachsen und seine Führung unterzogen werde - von der rechtspopulistischen Szene. Er sowie Landesinnenminister Roland Wöller warnten vor dem "erheblichen Mobilisierungspotenzial" innerhalb der Szene, das durch das Internet und die Verbreitung von Lügen und Gerüchten in sozialen Netzwerken noch beschleunigt werde.
Darum appellierte Kretschmer auch an die Bevölkerung, den populistischen Tendenzen die Stirn zu bieten: "Schauen Sie sich genau an, wessen Geistes Kind die Initiatoren dieser Aufrufe sind", forderte der Ministerpräsident in Dresden und betonte: "Für Extremismus ist in Sachsen kein Platz."
Der Familie des 35-Jährigen, der in der Nacht zu Sonntag nach einer Auseinandersetzung seinen Verletzungen durch Messerstiche erlag, sprach er seine Anteilnahme aus. Den Tod des Mannes hatte die rechtsorientierte Szene als Anlass genutzt, am nächsten Tag zu den spontanen Demonstrationen aufzurufen, die schließlich eskalierten.
"Was auf dem Rücken der Opfer gemacht wurde, ist verstörend", sagte Kretschmer. Die politische Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten sei abscheulich, die Jagd auf Ausländer "inakzeptabel".
Doch Extremismus sei ein Problem, das "die Polizei nicht allein lösen kann". Es müsse auch ein "Ruck durch die Gesellschaft gehen".