Logo und Schrift des Bundeskriminalamtes auf einer Wand mit Schattenwurf

Interne BKA-Auswertung Clankriminelle und Islamisten unter Beobachtung

Stand: 15.01.2025 15:40 Uhr

Eine Auswertung des Bundeskriminalamts sieht Schnittmengen zwischen Clankriminalität und Islamismus. Das interne Papier liegt der ARD vor. Auf Landesebene zeigen sich die Behörden besorgt.

Das Bundeskriminalamt (BKA) beobachtet nach ARD-Informationen Überschneidungen zwischen Clankriminellen und Islamisten. Die Sonderauswertung "ala ad-Din" des BKA, die der ARD vorliegt, beschäftigt sich mit dem Phänomen.

Das als Verschlusssache eingestufte Dokument, das im November 2024 BKA-intern veröffentlicht wurde, hält fest, Organisationen aus dem Bereich "politisch motivierte Kriminalität bzw. religiöse Ideologie" sowie "kriminelle arabisch-/türkeistämmige Gruppierungen rekrutieren aus dem gleichen Personenspektrum und gehen auf lokaler Ebene Kooperationen ein". Weiter heißt es, "in vielen Fällen" bestünden Freundschaftsverhältnisse zwischen Angehörigen von Clanstrukturen und besagten Gruppierungen. Die Überschneidungen lägen in unterschiedlicher Qualität vor.

Reul: Immer mehr Indizien für Schnittmengen

Ein Beispiel, das solche Verbindungen nahelegt: Jeweils etwa 1.000 Personen seien am 10. Februar 2023 und am 1. Mai 2023 in Berlin-Treptow in einem Gebäude zusammengekommen, das einer deutschlandweit bekannten Clanfamilie zugerechnet wird, heißt es in Sicherheitskreisen in der Bundeshauptstadt.

Mit dabei waren nach ARD-Informationen zwei salafistische Hassprediger, die 2024 in Abschiebhaft genommen wurden. Der Anwalt der Clanfamilie bestreitet gegenüber der ARD, dass es zu so einer Versammlung gekommen sei. Berliner Ermittler haben jedoch größte Sorge, dass das Gebäude in Zukunft öfter für solche Treffen genutzt werden könnte und sich Clankriminelle in der Hauptstadt zunehmend mit Islamisten vernetzen.

Auch in anderen Bundesländern sind die Behörden aufmerksam. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) bestätigt gegenüber der ARD, dass es - vorsichtig formuliert - immer mehr Indizien für Schnittmengen gebe. Die Entwicklung gehe in Richtung mehr miteinander, mehr gemeinsam.

Herbert Reul

NRW-Innenminister Reul spricht von immer mehr Indizien für Schnittmengen.

Verbindung zur Hisbollah und dem IS

Die Verfasser der Auswertung, zwei BKA-Beamte, stellen zudem fest, die libanesische Terrororganisation Hisbollah habe Verbindungen zu Clankriminellen aus der türkisch-arabischen Volksgruppe der Mhallamiye und der Volksgruppe indigener Libanesen, aber auch zu Libano-Palästinensern in Deutschland. "Diese Verbindungen sind familiär, politisch oder profit- bzw. gewinnorientiert ausgerichtet und eher strukturell ausgeprägt", heißt es in der Auswertung.

Dies könne anhand konkreter Ermittlungsverfahren, verschiedener Verdachtsmomente, Geldwäscheverdachtsmeldungen, Eindrücken von Hausdurchsuchungen sowie Erfahrungswerten langjähriger in den Phänomenbereichen tätiger Polizeivollzugsbeamten belegt werden. Beim "Islamischen Staat" gebe es Beispiele, dass Clanmitglieder aus der Gruppe der Mhallamiye und der Libano-Palästinenser den IS unterstützten.

Mit dem Bericht soll eine Sensibilisierung der jeweiligen Phänomenbereiche für besagte Schnittmengen erfolgen, schreiben die Verfasser.

Mehr Austausch zwischen Behörden

Thomas Ganz war als Experte im Landeskriminalamt Niedersachsen zuständig für das Thema Clankriminalität. Aus seiner Sicht könnte ein besserer Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Staatsschutzstellen der Polizei zu mehr Aufklärung des Phänomens führen. Immerhin läge durch die Schnittmenge ein hohes Gefährdungspotenzial für die freiheitlich- demokratische Grundordnung Deutschlands vor, warnt Ganz.

Mehr zum Thema Clankriminalität und Islamismus im Podcast "Kaffee, extra schwarz"