Fragen und Antworten Was ist Kinderpornografie und was ist strafbar?
Gegen Sebastian Edathy wird wegen des Verdachts auf Kinderpornografie ermittelt. Was genau gilt als Kinderpornografie? Was ist strafbar? Auf welcher Rechtsgrundlage gab es Durchsuchungen bei Edathy?
Wie hat sich die Gesetzeslage bei Kinderpornografie entwickelt?
Die Strafbarkeit zur Kinderpornografie wurde in den vergangenen zwanzig Jahren immer weiter verschärft. 1993 wurde innerhalb der allgemeinen Pornografie-Vorschriften eine Sonderregelung geschaffen, 1998 wurden die Strafen erhöht und seit 2003 gibt es sogar einen eigenen Paragrafen, der die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz "kinderpornografischer Schriften" unter Strafe stellt. 2008 wurde der Paragraf noch einmal erweitert und die Strafbarkeit wurde auf sexuelle Handlungen "von, an oder vor Kindern" ausgedehnt (§ 184b Strafgesetzbuch). "Kinder" bedeutet rechtlich gesehen übrigens unter 14 Jahre.
Was ist in diesem Bereich strafbar und was nicht?
Klar ist: Nicht jedes Nacktfoto von Kindern fällt strafrechtlich in den Bereich der Kinderpornografie. Denn damit würden auch alle Eltern kriminalisiert, die zum Beispiel im Urlaub Fotos von ihren Kindern am FKK-Strand machen. Das ist natürlich nicht gewollt. Das Gesetz verlangt deshalb, dass die pornografischen Schriften (also zum Beispiel Fotos oder Videos) sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben. In der Praxis stellt sich dann immer die Frage, handelt es sich "nur" um nackte Kinder, oder liegt eine "sexuelle Handlung" vor. An diese werden jedoch im Gegensatz zur Erwachsenenpornografie keine besonders hohen Anforderungen gestellt. Es genügt zum Beispiel schon das sogenannte "Posing". Dabei nimmt das Kind ohne Berührung des eigenen Körpers aktiv unnatürliche Körperhaltungen ein, die die Genitalien oder das Gesäß betonen.
Wie ist die Lage im Fall Edathy?
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat erklärt, dass der SPD-Politiker Sebastian Edathy zwischen 2005 und 2010 insgesamt 31 Videos oder Fotosets bei einem kanadischen Unternehmen gekauft hat. Darauf seien unbekleidete Kinder bzw. Jugendliche im Alter zwischen neun und 14 Jahren zu sehen, die "toben und spielen, in natürlichen Posen sitzen und sich darstellen. Alles jedoch in Bezug zu den Genitalien." Wenn auf den Fotos und Videos also tatsächlich keine sexuellen Handlungen von, an oder vor Kindern zu sehen wären, auch nicht das "Posing", könnte das die Schwelle zur Strafbarkeit nicht überschreiten. Das BKA hatte die Bilder wohl als strafrechtlich irrelevant bezeichnet. Auf der Pressekonferenz sprach die Staatsanwaltschaft hingegen von einem "Grenzbereich", wogegen Edathys Anwalt massiven Widerspruch erhoben hat.
Welche Tendenzen gibt es in der Rechtsprechung?
Die Rechtsprechung fasst den Kinderpornografie-Paragrafen relativ weit. Das heißt: Während bei der Erwachsenenpornografie regelmäßig verlangt wird, dass das sexuelle Verhalten in den Mittelpunkt gestellt und "vergröbernd, reißerisch" dargestellt wird, hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich in einem Urteil vom 11. Februar 2014 klargestellt, dass das bei der Kinderpornografie nicht erforderlich ist. Auch wenn die sexuelle Handlung, etwa das Berühren eines nackten Kindes, nicht besonders herausgehoben wird und nicht im Mittelpunkt des Bildes steht, kann man bereits von einer kinderpornografischen Schrift sprechen. Im konkreten Fall hatte das Landgericht ein Foto als nicht kinderpornografisch bewertet, der BGH aber schon (BGH 1 StR 485/13). Das hat keinerlei direkten Bezug zum Fall Edathy, zeigt aber, dass es in einzelnen Fällen unterschiedliche rechtliche Bewertungen von Bildern geben kann.
Woran entzündet sich die Kritik an der Staatsanwaltschaft?
Kritik entzündet sich daran, dass im Fall Edathy möglicherweise gar keine strafbare Handlung vorliegt, aber trotzdem seine Wohnungen und Büros durchsucht wurden. Die Staatsanwaltschaft erklärte, die kriminalistische Erfahrung besage, dass Menschen, die solche Fotos bestellen, oft auch noch strafrechtlich relevantes Material besitzen. Hinzu kämen die Umstände der Bestellung und die Tatsache, dass der kanadische Versand auch kinderpornografisches Material im Angebot gehabt haben soll. Vor diesem Gesamthintergrund begründet die Ermittlungsbehörde den Anfangsverdacht. Der zuständige Richter hat den Durchsuchungsbeschluss erlassen. Unter Strafrechtsexperten scheiden sich in der aktuellen Diskussion die Geister, ob dies zu Recht geschah, oder ob es nicht doch um eine Ausforschung "ins Blaue hinein" ging.
Was sind die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung?
Eine Durchsuchung bei einem Verdächtigen setzt die Wahrscheinlichkeit voraus, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde. Hierfür müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen. Dann spricht man vom sogenannten "Anfangsverdacht". Es muss also nicht schon die Gewissheit bestehen, dass die Straftat durch den Verdächtigen tatsächlich begangen wurde. Und auch wenn der Verdachtsgrad der Ermittlungsbehörden noch nicht so weit geht, dass eine Anklage sicher ist, dürfen die Behörden mit der Anordnung eines Richters durchsuchen. Ein ganz wichtiger Zweck der Durchsuchung ist ja die Sicherung von Beweismitteln. Wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann, dann ist eine solche rechtlich zulässig, sagt das Bundesverfassungsgericht ganz allgemein. Weil durch eine Durchsuchung aber in wichtige Grundrechte eingegriffen wird, darf sie nicht zur bloßen Ausforschung, also für Ermittlungen ins Blaue hinein genutzt werden, und sie muss verhältnismäßig sein.
Wie kann man sich gegen eine Durchsuchung rechtlich wehren?
Grundsätzlich muss ein Verdächtiger eine Durchsuchung erst einmal dulden. Im Nachhinein kann er sich dann, wenn er die Durchsuchung für rechtswidrig hält, mit einer Beschwerde bei Gericht wehren. Dass eine Durchsuchung im Nachhinein noch inhaltlich überprüft wird, setzt allerdings voraus, dass Willkür vorlag, die Folgen der Durchsuchung besonders schwer sind, Wiederholungsgefahr oder ein "nachwirkendes Bedürfnis" für die richterliche Überprüfung besteht. Daneben hat der Betroffene auch die Möglichkeit, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die ermittelnden Staatsanwälte einzureichen, über die dann die vorgesetzten Behörden entscheiden. Erfahrungsgemäß haben solche Dienstaufsichtsbeschwerden eher selten Erfolg.