Blick auf Kabul

Regeln für Geflüchtete Urlaub in Afghanistan?

Stand: 05.09.2024 16:06 Uhr

Kann jemand, der in Deutschland Asyl beantragt hat, kurzfristig in seine Heimat reisen? So etwas wie Urlaub machen? Die Politik weiß von solchen Fällen, hat aber keine genauen Zahlen. Nun sollen die Regeln verschärft werden.

Von Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio

Urlaub? Da denken viele an wandern oder Strand. Zumindest in Europa. In Afghanistan ist diese Art von Erholung eher unbekannt. Wenn also anerkannte Flüchtlinge aus Afghanistan nach Hause reisen, dann sprechen sie eher nicht von Urlaub. Aber warum tun sie das überhaupt? Schließlich sind sie aus Afghanistan geflohen und suchen Schutz in Deutschland. Ist die Sicherheitslage vielleicht besser als gedacht?

Es ist nicht so einfach, diese Fragen zu stellen. Die meisten wollen nicht reden - aus Angst vor den Konsequenzen. Doch plötzlich meldet sich Emroz zurück. Er ist bereit zu erzählen, aber nur am Telefon, nicht persönlich.

Emroz heißt eigentlich anders. 2015 kam er aus Afghanistan und beantragte Asyl. Einmal ist er nach Hause gereist. "Ich habe meinen Papa besucht", sagt er. Viele Jahre hatte er ihn nicht gesehen. Emroz erzählt, dass sein Vater alt geworden ist. "Da kann man nicht wissen, ob noch ein Jahr lebt oder ein Tag. Oder fünf Jahre." Er erklärt, es sei in seiner Kultur wichtig, dass er seinen Vater besucht.

Besteht noch Anspruch auf Schutz?

Die Heimreisen funktionieren über einen Trick. Zum Beispiel über den Iran - so war es auch bei Emroz. Das Visum wird dann auf einen Zettel geklebt, es landet kein Stempel im Pass. So bekommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oft nichts mit. Würde die Behörde davon erfahren, dann müsste sie prüfen, ob noch Anspruch auf Schutz besteht. Hier wird dann - so das Innenministerium - im Einzelfall entschieden.

Wenn die Eltern alt und krank sind, dann kann das in der Tat ein Grund sein, um kurzfristig nach Afghanistan zurückzukehren. Das sagt auch die Migrationsforscherin Victoria Rietig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sie zählt auf, wann es vertretbar sein könne, das Risiko einzugehen. Rietig nennt den Besuch von Verwandten auf dem Sterbebett oder auch "andere familiäre oder religiöse Pflichten". "Manchmal geht es um emotionales, wie einfach Heimweh oder Sehnsucht. Oder etwas Materielles, wie Besitz in der Heimat."

Heikle Heimreisen

Doch Heimreisen sind heikel. Denn Flüchtlinge wie Emroz sind aus Afghanistan geflohen und suchen in Deutschland Schutz. Wie können sie da zurückreisen? Das fragt sich auch CDU-Chef Friedrich Merz. "Wer in sein Heimatland reisen kann, um dort Urlaub zu machen oder Verwandte zu besuchen, der hat nun sicher auch keinen Grund mehr, in Deutschland ein Asylverfahren weiter zu betreiben." Das könne sofort gestoppt werden, sagt Merz. Es brauche den politischen Willen.

Aber über wie viele Fälle reden wir? Die Bundesregierung hat keine Zahlen und der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci meint, man müsse "aufpassen, dass wir uns nicht immer über Nebenthemen empören". Er fordert aber Aufklärung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Castellucci sagt, es brauche eine Statistik, wie viele Personen über das Jahr wegen solcher Heimreisen den Flüchtlingsstatus entzogen bekommen. "Damit wir auch wissen, worüber wir reden."

Keine genaue Festlegung der Gründe

Die Bundesregierung hat sich erst vergangene Woche auf ein Asylpaket geeinigt. Darin steht auch: Wer ohne guten Grund ins Heimatland reist, verliert seinen Schutzstatus. Ein guter Grund kann sein, sittliche Pflichten zu erfüllen - also zum Beispiel eine Beerdigung, ein Krankenbesuch oder auch eine Hochzeit.

Doch genau ist das nicht festgelegt, sagt die Migrationsforscherin Rietig. Das sei einerseits positiv, "weil es anerkennt, dass es zwingende moralische Gründe gibt ein Land zu besuchen, selbst wenn dort Verfolgung droht". Andererseits berge es die große Gefahr, dass Behörden die Lage unterschiedlich auslegten. "Und dann droht mal wieder Umsetzungswirrwarr. Und dann fragen die Leute zurecht: Was gilt denn jetzt?"

In Zukunft soll es nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios so sein, dass sich die Beweislast umkehrt. Das heißt, wer als Schutzberechtigter nach Hause gereist ist, muss nachweisen, dass es dafür einen sittlichen Grund gab.

Emroz fürchtet, dass seine Heimreise nach Afghanistan Konsequenzen haben kann. Die Kritik daran kann er nachvollziehen. "Ich verstehe das", sagt er. Und wirbt selbst darum, seine Lage zu verstehen. Sein Papa sei alt geworden, er müsse das Risiko also eingehen. "Egal, wenn ich sterbe dann."

Die Taliban, erzählt er noch, hätten ihn freundlich empfangen. Aber nur, weil er aus dem Ausland komme. Wieder in Afghanistan zu leben, hält er für zu gefährlich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 05. September 2024 um 08:21 Uhr.