Kai Gniffke

Regeln für Online-Angebote ARD-Vorsitz schlägt Selbstverpflichtung vor

Stand: 16.10.2024 18:30 Uhr

Der ARD-Vorsitzende Gniffke hat im Streit mit Zeitungsverlegern eine Selbstverpflichtung der öffentlich-rechtlichen Sender ins Spiel gebracht. Er sprach von einem "Game-Changer" in der Debatte über neue Regeln für Online-Angebote. Der Verlegerverband reagierte zurückhaltend.

Wie dürfen die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet berichten? In wenigen Tagen wollen die Regierungschefs der Bundesländer über den Entwurf des Reformstaatsvertrages beraten, der unter anderem die bisherigen Rahmenbedingungen für Online-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in zentralen Punkten ändern würde. Inmitten der Debatte über den Reformentwurf hat der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke eine Selbstverpflichtung ins Spiel gebracht, um Zeitungsverlegerinnen und -verlegern entgegenzukommen.

"Wir reden über eine gemeinsame Selbstverpflichtungserklärung von ARD, ZDF und Deutschlandradio", sagte Gniffke der Nachrichtenagentur dpa. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie Online-Angebote gestaltet sind, um nicht "presseähnlich" zu sein, wie es bereits durch den aktuellen Staatsvertrag verlangt wird. Die Auslegung des Begriffs der "Presseähnlichkeit" betrifft dabei insbesondere das Zusammenspiel von Video- und Audioinhalten mit Texten innerhalb von Online-Angeboten sowie den Schwerpunkt der Gestaltung solcher Angebote. Hier setzt der Vorschlag an.

Es könnte ein Game-Changer sein, wenn wir uns verpflichten zu sagen: Die Bezugsgröße für die Überprüfung, ob etwas presseähnlich ist, ist nicht mehr das Gesamtangebot, sondern jedes Teilangebot, also jede einzelne App.
Kai Gniffke

Gniffke, der SWR-Intendant ist, sieht eine Selbstverpflichtung als Alternative zu einer gesetzlichen Neuregelung. Rundfunkhäuser könnten zum Beispiel in ihren Beiträgen die Verlinkung auf Angebote von Presseverlagen zum Standard machen, wenn sie Zeitungsthemen aufgreifen. Auch könnten Fristen, innerhalb derer Textangebote unter Bezug auf eine ausgestrahlte Sendung veröffentlicht werden dürfen, verkürzt werden. Das ZDF hatte in einer Stellungnahme zu dem Reformentwurf bereits ähnliche Vorschläge anklingen lassen.

Innerhalb der ARD gibt es dazu noch keine Entscheidung unter den Intendantinnen und Intendanten: An einer solchen Selbstverpflichtung werde derzeit intensiv gearbeitet. Gniffke sagte: "Das muss auf jeden Fall Hand und Fuß haben, ein Schnellschuss nutzt keinem. Aber die Zeit läuft ab. Insofern ist das keine Sache mehr, die jetzt noch eine Woche Zeit hat, sondern das muss jetzt in wenigen Tagen passieren."

Wer erreicht die jungen Menschen?

In der ARD gibt es die Sorge, dass Formate, mit denen man auch jüngere Menschen in Sozialen Medien erreicht, durch die von den Ländern im Entwurf des Reformstaatsvertrags geplanten Regeln erheblich beeinträchtigt werden könnten. "Die tagesschau ist die erfolgreichste Medienmarke bei TikTok und bei Insta. Das würde ich ungern beschädigen, weil es unserem Auftrag entgegenlaufen würde, der Dominanz von polarisierenden und von emotionalisierenden Inhalten etwas entgegenzusetzen. Das muss doch in unser aller Interesse sein", betonte Gniffke.

Er habe alles Verständnis der Welt für die Sorgen der Zeitungsverlage. "Sie sind bedroht von großen Plattformbetreibern aus Übersee, die deren Werbeerlöse einfach abschöpfen. Was ich allerdings auch anmerke ist, dass das, was im Entwurf des Reformstaatsvertrags steht, nach allem, was wir wissen, den Zeitungsverlagen nicht viel nutzen wird."

Menschen, die nicht mehr beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Inhalte nutzten, würden eher zu den großen Tech-Konzernen abwandern, sagte der ARD-Vorsitzende. "Sie würden eben nicht Regionalzeitungen abonnieren. Das ist die traurige Erkenntnis und deshalb ist der Preis aus meiner Sicht zu hoch, dass man sagt: 'Jetzt löten wir das Internet für die Öffentlich-Rechtlichen zu.' Das wäre aus meiner Sicht nicht der richtige Weg."

Die Länder haben in ihrem Entwurf zur Rundfunkreform schärfere Regeln formuliert, die Befürchtungen bei den Öffentlich-Rechtlichen hervorgerufen haben. Die Selbstverpflichtung wird nun als Alternative angeboten. Gniffke sagte der dpa: "Das wäre für den Fall, dass es keine gesetzliche Neuregelung gibt. Dann könnten wir uns eine solche Selbstverpflichtung vorstellen. Aber nicht beides."

Verleger fordern gesetzliche Regelung

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) reagierte auf den Gniffke-Vorschlag zurückhaltend: "Das Problem des von uns nachgewiesenen Wettbewerbseingriffs durch öffentlich-rechtliche Textangebote mit erheblicher negativer Wirkung für die Presse muss rechtsfest und darum gesetzlich gelöst werden."

Der Verband, der Zeitungshäuser vertritt, ergänzte: "Eine Selbstverpflichtung kann das nicht ersetzen. Die Erfahrungen aus den letzten Jahren haben leider auch gezeigt, dass mit unverbindlichen, freiwilligen Regelungen keine nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen war."

Bundesländer für Regelung zuständig

Im föderalen System der Bundesrepublik sind die Länder für Medienpolitik zuständig. Sie legen in Staatsvertragsregeln fest, wie sich Rundfunk mit Schwerpunkt Bewegtbild und Audio von Pressehäusern, die ihren Fokus auf Text legen, abzugrenzen hat. Das soll helfen, dass sich die Medienbereiche wirtschaftlich gesehen nicht zu sehr in die Quere kommen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird mit Beiträgen finanziert, die Haushalte und Firmen zahlen. Pressehäuser sind private Wirtschaftsunternehmen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Streit darüber, ob die ARD zu viel Text im Internet anbietet. Es geht um den Begriff der Presseähnlichkeit.