Beschluss des Rechtschreibrats Genderzeichen kein Kernbestand der Orthografie
Genderstern und Unterstrich sind auch künftig keine regulären Sprachzeichen im Deutschen. Der Rechtschreibrat schlägt aber eine Ergänzung des amtlichen Regelwerks im Abschnitt Sonderzeichen vor, in dem auch die Probleme benannt werden.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung stuft Genderzeichen nicht als Kernbestand der deutschen Orthografie ein. Die bisherigen Empfehlungen des Rates werden nicht aufgehoben, wie das Gremium zum Abschluss seiner Sitzung im belgischen Eupen mitteilte.
Das geltende amtliche Regelwerk solle aber um einen entsprechenden Abschnitt zu Sonderzeichen ergänzt werden, die den staatlichen Stellen zur Zustimmung vorgeschlagen werde. In dieser Ergänzung zum Thema Sonderzeichen führt der Rat das Gendern im Wortinneren durch Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen auf.
Der Genderstern "gehört nicht zum Kernbereich der deutschen Orthografie", sagte der Ratsvorsitzende Josef Lange im Gespräch mit tagesschau24. Es seien also auch weiterhin keine regulären Zeichen.
Die Setzung der Zeichen könne zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind. "Auf der anderen Seite kann auch der Rat nicht die Augen davor verschließen, dass in bestimmten Gruppierungen und Einrichtungen die Genderzeichen benutzt werden."
Rat beobachtet Entwicklung
Es habe selbstverständlich jeder das Recht, angemessen und respektvoll angesprochen zu werden. Geschlechtergerechte Texte müssten aber gleichzeitig zum Beispiel verständlich, lesbar und vorlesbar, rechtlich eindeutig und möglichst automatisiert in andere Amtssprachen übersetzt werden können, erklärte Lange weiter.
Der Rat wird die Entwicklung weiter beobachten. Wann er sich erneut damit beschäftigen werde, könne er derzeit nicht sagen, so Lange. Er vermute, dass sich der Rat in drei Jahren in neuer Zusammensetzung beraten werde. Wie das Ergebnis ausfalle, könne der Vorsitzende nicht sagen.
Empfehlungen von 2021 bleiben bestehen
Zuletzt hatte der Rat im Jahr 2021 empfohlen, Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt oder andere Formen zur Kennzeichnung von mehrgeschlechtlichen Bezeichnungen im Wortinneren zu diesem Zeitpunkt nicht in das Amtliche Regelwerk aufzunehmen. Jetzt wäre es auch weiterhin nicht regulär aufgenommen, aber als Phänomen im Bereich Sonderzeichen beschrieben.
Der Rat ist eine wichtige Instanz für Rechtschreibung. Seine Aufgabe im Auftrag von staatlichen Stellen ist es, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auch mit Blick auf den Wandel der Sprache weiterzuentwickeln.
Sonderzeichen
Als Sonderzeichen gelten typografische Zeichen wie etwa das Paragrafenzeichen (§), das Prozentzeichen (%) oder das kaufmännische Und (&). Diese gehören nicht zu den Satz- oder Wortzeichen und daher auch nicht zur Interpunktion im engeren Sinne. Sie sind durch einen eindeutigen formalen Status, etwa eine vordefinierte Stellung im Satz, in einer Auflistung u. a. gekennzeichnet (so z. B. §) vor der Paragrafenziffer (§ 2 BGB)). Auch die Verwendung von Sonderzeichen unterliegt Regeln: Typografische Regeln haben zum Teil den Status von Konventionen, zum Teil sind sie als DIN- oder anderweitige Normen durch das Deutsche Institut für Normung (DIN), die ÖNORMEN oder die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) festgelegt.
Zunehmend werden bei Personenbezeichnungen orthografische Zeichen wie der Doppelpunkt (:) – allerdings ohne ein folgendes Leerzeichen (Bürger:innen) – oder Sonderzeichen wie Asterisk (*), Unterstrich (_) oder andere Zeichen im Wortinneren verwendet. Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie. Sie sollen eine über die formalsprachliche Funktion hinausgehende metasprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten – männlich, weiblich, divers – vermitteln: die Schüler:innen, die Kolleg*innen. Sie gehen damit über Verkürzungsformen wie Bürger/-innen, die vom Amtlichen Regelwerk bereits erfasst werden, hinaus.
Die Besonderheit der Wortbinnenzeichen zur Kennzeichnung einer geschlechterübergreifenden Bedeutung liegt darin, dass sie auf die orthografisch korrekte Schreibung von Wörtern unmittelbar einwirken. Diese Eigenschaft teilen sie mit einigen Satz- bzw. Wortzeichen (wortinterne Klammern, Apostroph, Bindestrich, Anführungszeichen), deren wortinterne Verwendung im Amtlichen Regelwerk beschrieben wird. Bei den Sonderzeichen mit Geschlechterbezug soll jedoch eine metasprachliche Bedeutung transportiert werden. Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind, z. B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).
Die Entwicklung des Gesamtbereichs ist noch nicht abgeschlossen und wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung weiter beobachtet werden.