Kirche in der Krise Aus Trotz in der Kirche bleiben
Missbrauchsskandale, mangelnder Reformwillen, verkrustete Strukturen: Es gibt viele Gründe, aus der katholischen Kirche auszutreten. Warum also bleiben?
Eine Wohnung finden für eine obdachlose Frau - und zwar schnell: Gemeindereferentin Marianne Arndt sitzt mit Frau Kakolli in ihrem Büro in Köln und praktiziert gerade Nächstenliebe, wie sie selbst sagt. Hilfe im Alltag, weit weg vom Vatikan und den Kardinälen. In ihrem kleinen Büro in der katholischen Gemeinde in Köln versucht sie, Menschen zu unterstützen.
"Ich möchte unsere Kirche nicht den Mächtigen preisgeben", sagt Arndt. "Ich möchte, dass die Kirche den Menschen gehört und sie mit Menschen gefüllt ist, die guten Willens sind und Tolles machen." Austreten will sie aus der Kirche auf keinen Fall. Gemeindearbeit an der Basis sei so wichtig im Alltag vieler Menschen.
"Es tut mir in der Seele weh, dass unsere guten Leute gehen, die in ihrem innersten Herzen so gläubig sind", sagt Arndt. "Die gehen, weil wir Personal haben, das geschäftsschädigend ist. Das ist unverantwortlich."
Institution in der Krise
Die Kirche als Institution sei in einer Krise, aber gerade deshalb müsse man sie verändern. "Ich hadere nicht damit auszutreten", sagt die Referentin aus Köln. "Ich vertrete eine Kirche guten Willens, die für Offenheit steht, für demokratische Ansätze, für Nächstenliebe. Ich möchte nicht für das System Unglaubwürdigkeit stehen. Eigentlich ist unsere christliche Botschaft doch genial!" Auch deswegen wünscht sich Marianne Arndt, dass die Menschen bleiben und sich Kirche schnell ändert.
Genau wie Judith Genz. Die zweifache Mutter ist 35 Jahre alt und seit ihrer Kindheit in der Kirchengemeinde in Hoffnungsthal bei Köln aktiv. "An der Institution hält mich aktuell tatsächlich eigentlich nichts mehr. Auch ich bin von der Amtskirche nur noch maximal frustriert und enttäuscht", sagt Genz. Doch gehen will sie nicht. Sie war Leiterin in der Kinder- und Jugendarbeit, dann Lektorin und sitzt seit einigen Jahren auch im Pfarrgemeinderat.
"Das Lügen muss aufhören"
"Ich habe mich entschieden, zu bleiben - gewissermaßen aus Trotz, weil diese Kirche eben auch meine Kirche ist. Für mich bedeutet diese Kirche eine Heimat, die mir durch Jesus Christus geschenkt worden ist: Ein Zuhause für meine Seele. Das will ich nicht aufgeben." Sie sei der Gemeinde und der Kirche im Ort sehr verbunden, auch wenn sie an der Institution Kirche tatsächlich oft verzweifle.
"Mit Bezug auf die Missbrauchsfälle muss das Lügen, das Vertuschen durch Verbrüdern mit den Tätern endlich aufhören", sagt Genz. Der Reformbedarf sei immens. "Die Worte und Taten von Jesus Christus sind dabei mein Leitbild. Ich hoffe und bete wirklich, dass die derzeitige Krise, die sich zu einem regelrechten Desaster zugespitzt hat, letztendlich vielleicht die Chance für einen konsequenten Neubeginn für unsere Kirche ist."
Werben für eine moderne Kirche
Mit einer Banner-Aktion, die sie an Kirchenwänden umgesetzt hat, wollte sie mit anderen Gläubigen ein Zeichen setzen und für eine moderne Kirche werben. Wenn die Kirche vor Ort finanziell und inhaltlich investieren würde, dann könnten Menschen endlich wieder positive Erfahrungen mit der Kirche verbinden. "Eigentlich sind wir als Gemeinschaft der Gläubigen die Kirche und damit von Jesus aufgerufen, sie zu gestalten", sagt Genz.
Viele Aktionen in den verschiedenen Gemeinden könne man auch schon als mutiges Signal werten. "Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen durften in vielen Gemeinden sonntags predigen. Zahlreiche Priester haben sich getraut, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Da kann ich nur sagen: Weiter so!"
Auch wenn die junge Mutter an der Amtskirche leidet, hält sie an der Gemeinschaft in ihrer Kirchengemeinde fest. Sie wird bleiben und sich weiter engagieren für eine zeitgemäße Kirche.