Treffen in Nürnberg Krieg, Klima, Kirchentag
Kirchentage waren früher ein Heimspiel der Friedensbewegung. Jetzt kommt der ranghöchste Bundeswehrsoldat aufs Podium in Nürnberg. Es ist nicht die einzige Debatte mit Premierencharakter.
Die Themen liegen auf der Straße - manchmal kleben sie auch darauf. Es geht um die Klimakrise, um den Krieg in der Ukraine, aber auch um eine Kirche, die immer kleiner wird. Von außen betrachtet hat sich gar nicht so viel geändert. Der Kirchentag hat immer noch den Anspruch, Lagerfeuer der Nation zu sein.
Die großen Themen, die großen Namen tauchen alle in Nürnberg auf. Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck, CDU-Chef Friedrich Merz - sie alle kommen. Zum Auftakt wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Dazu gibt es Konzerte und Gottesdienste. Eine Nische für jeden, für die Frommen und für die Kritischen.
Debatte mit Premierencharakter
Der Präsident des Kirchentages, Thomas De Maizière, will das aufbrechen. In Nürnberg diskutiert der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, mit dem Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche (EKD), Friedrich Kramer, über Friedensethik. Kramer ist gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Ex-Verteidigungsminister de Maizière freut sich auf eine Debatte mit Premierencharakter. Zum ersten Mal sei ein Generalinspekteur der Bundeswehr zu einem Kirchentag eingeladen. "So soll Kirchentag sein: lebendig und streitig", sagt der CDU-Politiker.
Krieg und Frieden
Früher waren Kirchentage ein Heimspiel der Friedensbewegung - und nun kommt der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. Die evangelische Kirche ist beim Thema Krieg und Frieden mindestens so zerrissen wie die Gesellschaft, sie muss ihre Friedensethik neu buchstabieren. Wie weit kann militärische Unterstützung für die Ukraine gehen?
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist überzeugt, dass es in Nürnberg eine gemeinsame Basis für Gespräche gibt: "All die Menschen, die da diskutieren, wollen Gewalt überwinden. Und auf dieser Basis diskutieren wir die Frage, ob Waffenlieferungen möglich und legitim sind." Bedford-Strohm vertritt eine andere Position als der EKD-Friedensbeauftragte und hat sich seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine für militärische Unterstützung ausgesprochen.
Dialog zwischen "Letzter Generation" und Habeck
Ähnlich umstritten in der evangelischen Kirche: Wie weit darf der Protest der Klimaaktivisten gehen? Der Kirchentag setzt auf Dialog und holt die "Letzte Generation" aufs Podium. Klimaaktivistin Carla Hinrichs diskutiert mit Wirtschaftsminister Habeck über "Verantwortung und Schuld in der Klimakrise".
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche, will nicht nur reden. Sie findet, die Kirche müsse in Nürnberg auch ein Zeichen setzen. "Ich hoffe, dass alle nach dem Kirchentag rausgehen und sagen: Let's make it!" Eine Selbstverpflichtung der Kirche, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden, könne Signalwirkung haben, sagt Heinrich. "Wenn es die Kirche schafft, haben alle anderen auch keine Ausrede mehr."
Lebenszeichen aus Nürnberg
Doch welche Kraft hat eine Kirche, die an Schwindsucht leidet? Auch die Kirchenkrise wird Thema bei diesem Kirchentag: die hohe Zahl an Austritten, der Komplex um die Vorwürfe von sexualisierter Gewalt.
Der Gastgeber, Bayerns evangelischer Bischof Bedford-Strohm, will aus Nürnberg ein Lebenszeichen senden. In einer Zeit, in der die Kirche angegriffen oder für irrelevant erklärt wird, sei es wichtig, zu spüren: "Sehr viele Christinnen und Christen gestalten Deutschland mit".
So ein Gemeinschaftsgefühl könnte gleich am Abend aufkommen: Nach dem Auftaktgottesdienst feiert der Kirchentag in der Nürnberger Altstadt ein Straßenfest. Bis zu 200.000 Menschen werden zu diesem "Abend der Begegnung" erwartet.