Nach Anschlag bei Moskau Eine Bedrohung auch für Deutschland?
Für die deutschen Sicherheitsbehörden ist die Terrorgruppe ISPK keine Unbekannte. Das Problem ist längst in Deutschland angekommen. Was ändert der Anschlag bei Moskau?
Gera am Dienstag vergangener Woche: Die Bundesanwaltschaft lässt zwei Männer festnehmen. Die beiden Afghanen stehen in Verdacht, einen Anschlag geplant zu haben. Konkret sollen sich bereit erklärt haben, auf Polizeibeamte und Passanten rund um das Parlamentsgebäude in Stockholm zu schießen und sie zu töten.
Ihre mutmaßlichen Auftraggeber sitzen in Afghanistan: bei der Terrororganisation ISPK. Fest steht, dass die mutmaßlichen Pläne in einem frühen Stadium durchkreuzt wurden.
Erste Vorboten schon 2019
Aber unabhängig davon, ob es dazu gekommen wäre oder nicht: ISPK ist die islamistische Terrorgruppe, die den deutschen Sicherheitsbehörden schon seit einer ganzen Weile die meisten Sorgen bereitet, wenn es um die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus geht.
Fest steht, dass der IS-Ableger in Afghanistan nicht nur dort Anschläge verübt, sondern auch erklärtermaßen in Europa verüben will. Die Entwicklung insbesondere in den vergangenen zwei Jahren macht deutlich, dass die Organisation dieses Ziel konsequent verfolgt.
Erste Vorboten gab es schon 2019, als eine Terrorzelle in Nordrhein-Westfalen ausgehoben wurde, die in Kontakt mit dem IS in Afghanistan stand und im Auftrag der Organisation einen Islamkritiker in Deutschland töten sollte. Sechs Männer, allesamt Tadschiken, wurden deshalb zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Seitdem ist den deutschen Sicherheitsbehörden klar, dass mit dem IS-Ableger in Afghanistan auch hierzulande zu rechnen ist.
Seit 2022 hat sich die Bedrohung deutlich konkretisiert und verschärft: Im Zuge der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine sickerten ISPK-Anhänger nach Deutschland ein. Es handelte sich vor allem um Tadschiken, aber auch Usbeken, Turkmenen und Kirgisen. Die Sicherheitsbehörden haben insgesamt rund 50 Personen auf dem Radar, von denen sich bis zu 40 in Nordrhein-Westfalen befinden sollen.
Dabei wurde in den vergangenen Monaten deutlich, dass die Terrorgruppe von Afghanistan aus zielstrebig versucht, Anschläge in Deutschland und Europa zu realisieren: Im Juli 2023 wurde eine siebenköpfige Gruppe festgenommen, die den Auftrag erhalten haben soll, Anschläge in Deutschland zu verüben. Die Männer sollen bereits damit begonnen haben, geeignete Orte auszukundschaften.
Kurz vor Weihnachten erreichte die deutschen Sicherheitsbehörden der Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes, wonach an Silvester ein Anschlag auf den Kölner Dom, den Stephansdom in Wien und eine Kathedrale in Madrid geplant werde. Die Polizei zeigte Präsenz, um die Domplatte in Köln zu sichern, mehrere Verdächtige wurden festgenommen.
Einen konkreten Plan konnte man den Männern jedoch nicht nachweisen, sie blieben entweder zunächst in Sicherungsgewahrsam oder kamen nach wenigen Tagen wieder frei. Der Hauptverdächtige wurde nach Österreich abgeschoben.
Noch keine völlige Neubewertung der Bedrohungslage
Was den Sicherheitsbehörden vor allem Sorgen bereitet: Nachdem die Terrororganisation militärisch besiegt und wieder in den Untergrund gegangen war, trauten sie dem IS lange nicht zu, komplexe Anschläge zu verwirklichen - wie 2015 in Paris und 2016 in Brüssel, wo mehrere Attentäter koordiniert zuschlugen.
Der IS-Tochter ISPK traut man das seit geraumer Zeit jedoch durchaus zu. Der Anschlag in Moskau ist ein bedrückender Beleg dafür, dass die Organisation dazu in der Lage ist. Umso mehr, als dieser Anschlag in Russland verübt werden konnte - einem Land mit starken Sicherheitsbehörden.
Bisher spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser davon, dass die Bedrohung akut bleibe - nach einer völligen Neubewertung der Bedrohungslage hierzulande im Lichte der Ereignisse von Moskau klingt das nicht. Doch dafür ist es möglicherweise auch noch zu früh.