Ankunft in Deutschland Was passiert mit den Ortskräften?
Nach der Machtübernahme in Afghanistan durch die Taliban nimmt Deutschland ehemalige Ortskräfte und andere Schutzbedürftige auf. Welchen Status haben sie hier? Was unterscheidet sie von anderen Geflüchteten? Ein Überblick.
Wen nimmt Deutschland auf?
Die Bundesregierung hat zugesagt, Ortskräfte aus Afghanistan aufzunehmen, die seit 2013 für deutsche Behörden gearbeitet haben. Außerdem sollen afghanische Journalisten, Menschenrechtler und Beschäftigte von Nichtregierungsorganisationen nach Deutschland kommen können. Ortskräfte und andere Schutzbedürftige können ihre Familie (Ehepartnerin oder Ehepartner und eigene, minderjährige Kinder) mitbringen. Auch ein späterer Familiennachzug ist möglich. Dafür müssen aber Einkommen, Wohnung und zum Teil Sprachkenntnisse nachgewiesen werden.
Was ist die rechtliche Grundlage für die Aufnahme?
In Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes steht: "Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden." Dafür zuständig ist das Bundesinnenministerium oder eine ihm unterstellte Behörde. Sie kann "zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland" eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.
Diese Aufenthaltserlaubnis gilt zunächst für maximal drei Jahre und kann danach für denselben Zeitraum verlängert werden. Wenn ehemalige Ortskräfte nach fünf Jahren ihren Lebensunterhalt allein bestreiten können und deutsch sprechen, können sie eine unbefristete Niederlassungserlaubnis beantragen.
Wer bei seiner Ankunft in Deutschland noch keine Aufnahmezusage hat, bekommt vorerst ein Visum für 90 Tage. Sollte sich bei einer Prüfung herausstellen, dass die aufgenommenen Menschen keine Ortskräfte waren oder nicht anderweitig schutzbedürftig sind, können sie einen Asylantrag in Deutschland stellen. Dann beginnt ein normales Asylverfahren.
Um wie viele Menschen geht es?
Das Bundesinnenministerium kennt mehr als 40.000 Menschen, die als Ortskräfte in Afghanistan gearbeitet haben oder zu deren Kernfamilie gehören. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass noch eine hohe vierstellige Zahl an Menschen hinzukommt, für die Deutschland humanitär verantwortlich ist - etwa Menschenrechtler.
Bisher hat die Bundeswehr nach Angaben des Auswärtigen Amts etwa 4400 Afghaninnen und Afghanen und 360 Schutzsuchende aus anderen Ländern ausgeflogen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann geht davon aus, dass etwa 700 oder 800 Menschen in den Freistaat kommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 haben in Bayern insgesamt knapp 12.350 Menschen zum ersten Mal Asyl beantragt. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise waren es rund 82.000 Erstanträge.
Wohin kommen die Aufgenommenen?
Für Aufnahme und Zuweisung der Unterkunft ist das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Die Behörde empfängt Ortskräfte und andere Schutzbedürftige zusammen mit der Bundespolizei am Flughafen. Die Menschen werden registriert und zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer gebracht. Wer wie viele Menschen aufnimmt, richtet sich nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen der Länder ("Königsteiner Schlüssel").
In Bayern sind bisher knapp 100 Menschen angekommen, die im Anker-Zentrum in Bamberg untergebracht sind. Sie sollen möglichst bald in staatlichen Übergangswohnheimen in ganz Bayern wohnen, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Einige Städte und Gemeinden in Bayern haben schon ihre Hilfe angeboten.
Wie werden die Menschen versorgt?
Wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, darf uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Arbeitsagentur und Jobcenter helfen bei Arbeitssuche und Kursen zur Qualifizierung. Ausbildung und Studium sind ebenfalls möglich. Abschlüsse von Schulen und Universitäten können unter bestimmten Bedingungen anerkannt werden. Wer noch keinen Job gefunden hat oder nicht erwerbsfähig ist, etwa durch Krankheit, hohes Alter oder Kinderbetreuung, kann genauso wie deutsche Staatsangehörige Sozialleistungen wie Hartz IV oder Sozialhilfe beantragen.
Handelt es sich um Migranten, Flüchtlinge oder Asylbewerber?
Die Ortskräfte aus Afghanistan und ihre Angehörigen bekommen eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz und sind damit keine Asylbewerber. Als Migrantinnen und Migranten bezeichnet man im Völkerrecht Menschen, die ihre Heimat freiwillig verlassen. Flüchtlinge fliehen dagegen aus einer Notsituation - wie etwa die drohende Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan.
Juristisch betrachtet, umfasst der Begriff "Flüchtlinge" aber nur Menschen, die nach einem erfolgreichen Asylverfahren Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Fachleute benutzen deshalb häufig die Begriffe "Geflüchtete" oder "Schutzsuchende".