In Fürstenberg, einem Stadtteil von Eisenhüttenstadt in Brandenburg, sind Straßen vom Hochwasser des Flusses Oder überflutet und Sandsäcke sollen Häuser schützen.
exklusiv

Bundesumweltministerium Lemke legt Gesetz zum Hochwasserschutz vor

Stand: 25.09.2024 05:00 Uhr

In Deutschland steigt das Wasser immer öfter über die Flussufer. Das Umweltministerium will den Hochwasserschutz deshalb modernisieren und legt dazu nach ARD-Informationen ein neues Gesetz vor.

Von Eva Huber, ARD-Hauptstadtstudio

Gerade steigt das Wasser an der Oder in Brandenburg. Bundesumweltministerin Steffi Lemke schaut mit Sorge auf die Situation. Die akute Krisenbewältigung sei im Moment das Allerwichtigste, betont die Grünen-Politikerin. Aber Deutschland muss auch bei der Vorsorge, beim Hochwasserschutz vorankommen. Denn solche Krisen erlebt Deutschland immer öfter: im Frühsommer in Süddeutschland, im Winter im Norden, vor drei Jahren die Flutkatastrophe im Ahrtal. Die Zeit drängt, die Klimakrise sorgt für mehr Extremwetter.

Nach langen Abstimmungen zwischen Bund und Ländern hat das Ministerium in den letzten Monaten ein neues Hochwasserschutzgesetz erarbeitet. Jetzt steht der Gesetzentwurf - zumindest vonseiten des Bundesumweltministeriums. Ministerin Lemke gibt ihn jetzt in die Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien, wie das ARD-Hauptstadtstudio exklusiv erfuhr.

"Wir wissen, dass Starkregen zunimmt, dass sich die Hochwasserereignisse verändert haben, dass viel Hab und Gut vernichtet wurde, Leib und Seele bedroht ist", erklärt Lemke im ARD-Interview. Deshalb brauche es besseren, moderneren Hochwasserschutz, der sich an die veränderten Klimabedingungen anpasst.

Bauvorhaben beschleunigen, klare Regeln für Brücken und Co.

Ein zentraler Punkt: Mit dem Gesetz will Lemke das Bauen von Hochwasserschutzmaßnahmen wie Deichen und Dämmen beschleunigen, "indem die Vergabe solcher Aufträge leichter und schneller gemacht wird". Im Moment dauert das oft sehr lange.

Außerdem soll die Infrastruktur sicherer gemacht werden. Unter anderem bei neuen Brücken soll es klarere Regeln geben. Sie sollen zum Beispiel mehr Abstand zur Wasseroberfläche haben als bisher, und beim Bau sollen für Hochwasser angepasste Materialien verwendet werden.

Städte und Gemeinden sollen in Zukunft vor Ort Konzepte erarbeiten, was im Fall von Starkregen wie getan wird und wie die Orte besser für den Fall von Starkregen vorsorgen können.

"Spezielle Gefahrengebiete ausweisen"

Mit dem Hochwasserschutzgesetz will Lemke den Städten und Gemeinden außerdem die Möglichkeit geben, in Überschwemmungsgebieten "nochmal spezielle Gefahrengebiete auszuweisen, in denen dann wirklich ein Bauverbot auch in der Realität komplett umgesetzt wird, damit nicht weitere Schäden entstehen." Gemeint ist dabei der Bau von neuen Gebäuden, schon bestehende sind davon nicht betroffen.

Viele der Vorschläge wurden in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen mit den Bundesländern in den letzten Monaten erarbeitet. Zum Vorschlag, nochmal spezielle Gefahrengebiete ausweisen zu können, hatte der der Städte- und Gemeindebund im Vorfeld entgegnet, dass er keine Notwendigkeit für neue Gesetze sieht. In Überschwemmungsgebieten würde schon jetzt nicht gebaut. Ausnahmen seien an hohe Hürden geknüpft.

Gefragt danach, antwortet Lemke im ARD-Interview, die Gesetzesänderung werde sicher nicht jede Kommune brauchen. "Wir wissen, dass es im Moment zu viele Ausnahmen gibt." Deswegen werde die Neuregelung für manche betroffenen Kommunen "sehr hilfreich sein".

Grundstückseigentümer blockieren Hochwasserschutz

Eine Forderung der Kommunen findet keinen Widerhall im neuen Gesetz. Laut Städte- und Gemeindebund behinderten oder blockierten immer wieder private Grundstückseigentümer, deren Flächen in betroffenen Gebieten liegen, Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Denn die Eigentümer müssen solchen Maßnahmen zustimmen. Bernd Düsterdieck vom Städte- und Gemeindebund sieht da den Gesetzgeber gefordert, der zum Beispiel Eigentümer gesetzlich verpflichten soll, ihre Grundstücke zu tauschen. Alternativ könnte der Bund klare Regeln aufstellen, wann Eigentümer solche Maßnahmen dulden müssen, schlägt Düsterdieck vor.

Lemke will den Kommunen mehr Möglichkeiten geben, Hindernisse vor Ort zu beseitigen, aber "keinen Zwang und keine Enteignung". Das sei das falsche Signal, sagt die Bundesumweltministerin.

Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren

Ein großes Versäumnis der letzten Jahre sieht Professor Holger Schüttrumpf, Hochwasserexperte an der RWTH Aachen, in den langen Planungs- und Genehmigungsverfahren: "Wir haben viele Verfahren, die in der Planung sind, die teilweise Jahrzehnte brauchen, um dann auch genehmigt zu werden. Und jede Maßnahme, die nicht umgesetzt wird, kann auch nicht schützen," erklärt Schüttrumpf. Deshalb sieht er Lemkes Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung. Aber in der Praxis werde sich dann zeigen müssen, ob das, was im neuen Gesetz stehe, die Verfahren vor Ort auch wirklich beschleunige, so Schüttrumpf.

Bis das Gesetz in der Praxis erprobt werden kann, wird es noch dauern. Als nächstes müssen es die anderen Ministerien, vor allem die Koalitionspartner FDP und SPD, in der Ressortabstimmung absegnen.

Nicht Teil des Gesetzes ist eine verpflichtende Elementarschadenversicherung, die in den letzten Monaten intensiv diskutiert wird. Dafür ist Lemkes Kabinettskollege, Justizminister Marco Buschmann, zuständig. Der zeigte sich in diesem Punkt zuletzt skeptisch.