AfD gegen Verfassungsschutz 13 Verhandlungstage bis zum Verdachtsfall?
In Münster geht das Berufungsverfahren zur Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall weiter. Die Partei versucht, die Abläufe zu verschleppen - womöglich bis nach der Europawahl.
Ganz so opulent wird die Symbolik dieses Mal nicht ausfallen: Fanden die ersten beiden Verhandlungstage noch im imposanten Foyer des Oberverwaltungsgerichts in Münster statt, geht es jetzt in einem funktionalen Sitzungssaal weiter.
Zu den ursprünglich geplanten zwei Sitzungstagen sind inzwischen 13 weitere dazu gekommen. Als das Berufungsverfahren Mitte März begann, zeichnete sich früh ab, dass die zur Verhandlung stehenden Verfahren mehr Zeit benötigen.
So wehrt sich die AfD in drei Fällen gegen Einstufungen des Bundesamtes für Verfassungsschutzes. Neben der Einschätzung als rechtsextremer Verdachtsfall wird auch darüber verhandelt, ob die Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" (JA) ein Verdachtsfall ist. Hinzu kommen die Bewertungen des inzwischen aufgelösten sogenannten "Flügel" um den thüringischen Landeschef Björn Höcke, der zum Schluss sogar als "gesicherte rechtsextreme Bestrebung" bewertet wurde.
"Denen im Osten ist es egal"
Die Taktik der AfD bestand in dem angelaufenen Berufungsverfahren in einer gewissen Verschleppung der Abläufe. So kündigten ihre Anwälte zunächst über 200 neue Beweisanträge an, inzwischen ist die Zahl laut Gericht auf 457 angewachsen. Außerdem gab es mehrere Befangenheitsanträge gegen die Richter des Senats - allesamt wurden diese als "rechtsmissbräuchlich" abgelehnt.
Dass die AfD auf Zeit spielt, hängt auch mit der Europawahl zusammen - man versucht, eine mögliche Entscheidung bis nach der Abstimmung im Juni hinauszuzögern. In der Partei wird befürchtet, dass eine mögliche Bestätigung als Verdachtsfall im Westen Stimmen kosten könne.
"Denen im Osten ist es dagegen egal, was der Verfassungsschutz macht", sagt ein hochrangiger Funktionär eines westdeutschen Landesverbandes dagegen mit Blick auf die im Herbst stattfindenden Landtagswahlen im Osten. Im Gegensatz zur Europawahl befürchtet man im Osten keine Konsequenzen aus der Beobachtung der Partei.
"Wenn wir uns lieb verhalten hätten, wären wir jetzt schon verurteilt", sagte zudem der AfD-Vertreter in dem Prozess, Roman Reusch, vor Journalisten. Allerdings attestierte der ehemalige Staatsanwalt und AfD-Bundestagsabgeordnete dem Gericht auch, dass die Richter zuhörten "und nicht so tun, als ob sie zuhören und nur darauf warten, wann es endlich rum ist".
Drei Parteimitglieder als Zeugen
In dem bisherigen Verfahren gab es aber auch Fingerzeige des Senats. So verlas ein Richter ältere Urteile, wonach auch Aussagen von Parteimitgliedern, welche von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, in der Summe dazu führen könnten, dass eine Institution verfassungsfeindlich sein könne. Die Anwälte des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten im Vorfeld des Verfahrens weitere 4.200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial vorgelegt, die eine völkische Grundtendenz innerhalb der AfD erkennen lassen sollen.
Dem setzten die AfD-Anwälte drei Parteimitglieder als Zeugen entgegen. Sie alle hatten einen Migrationshintergrund und berichteten davon, dass sie in der Partei keinen Rassismus erlebt hätten. Dass es trotzdem "Entgleisungen" innerhalb der Partei gebe, ordnete AfD-Vertreter Reusch einem gewissen Stammtisch-Potenzial seiner Partei zu. Es gebe in der Partei nun mal "einfache Leute, die einen einfachen Bildungshintergrund haben". Diese würden oft auch "Blech" reden, so Reusch.
Verhandlung könnte bis Juli laufen
Die Anwälte des Verfassungsschutzes verwiesen dagegen unter anderem auf Äußerungen des thüringischen Landeschefs Björn Höcke. In zwei Fällen musste der Verfassungsschutz eingestehen, Informationen durch Vertrauensleute bekommen zu haben. Bei den sogenannten V-Leuten handele es sich aber nicht um Führungspersönlichkeiten aus Bundes- oder Landesverbänden der Partei, so der Vertreter des Bundesamtes.
Spannend dürfte zudem werden, wer die AfD vor dem Oberverwaltungsgericht vertritt. Der Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, ersetzt den erkrankten Roman Reusch. Das bestätigte eine Gerichtssprecherin dem WDR auf Nachfrage. Zuerst hatte "Zeit Online" berichtet. Krah selbst dürfte in vielen Punkten Gegenstand des Verfahrens sein - vor allem wegen Äußerungen über einen vermeintlichen "Bevölkerungsaustausch" durch Migration.
Bis Anfang Juli könnte die Verhandlung nach bisherigen Stand laufen, allerdings kann es auch schon früher eine Entscheidung geben. Von dieser dürfte dann auch abhängen, ob die AfD im weiteren Verlauf auch als "gesichert rechtsextreme Bestrebung" bewertet wird, da die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zumindest die letzte Instanz ist, wo noch inhaltlich über die Vorwürfe gegen die AfD beraten und entschieden wird.