Wohncontainer für eine Flüchtlingsunterkunft stehen im Dresdner Stadtteil Sporbitz neben einer denkmalgeschützten ehemaligen Schule hinter einem Zaun.

Debatte über Asylpolitik "Null Euro" und weitere Verschärfungen

Stand: 29.08.2024 07:30 Uhr

Das Solingen-Attentat und mögliche Konsequenzen bestimmen weiter die politische Debatte. FDP-Chef Lindner will keine Sozialleistungen mehr für Ausreisepflichtige. Andere Verschärfungen werden offenbar diskutiert.

In der Diskussion um die politischen Lehren aus dem Attentat von Solingen fordert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) weitere Kürzungen bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge. Er habe SPD und Grünen vorgeschlagen, dass es "bei denjenigen, die als Dublin-Flüchtlinge ausreisen müssen", künftig "null Euro" vom deutschen Steuerzahler geben solle, sagte der FDP-Chef bei maischberger

Ausreisepflichtigen Flüchtlingen sollten "mit Ausnahme der Reisekosten in das eigentlich zuständige Land" gar keine Sozialleistungen mehr gewährt werden, forderte Lindner. Es gebe "kein Recht von Asylbewerbern im Dublin-Prozess, sich ihren Standort in Europa auszusuchen". 

Das sogenannte Dublin-Verfahren innerhalb der EU besagt, dass Asylverfahren grundsätzlich in dem EU-Land stattzufinden haben, in dem die Geflüchteten zuerst einreisten. Es dürften "gar keine Anreize geschaffen werden, für Menschen, die zum Beispiel in Bulgarien zum ersten Mal europäischen Boden betreten", forderte der FDP-Chef. "Da darf es keinen Anreiz geben, überhaupt nach Deutschland kommen zu wollen."

Verschärfungen im Waffenrecht

Nach Informationen der Bild-Zeitung und der Süddeutschen Zeitung diskutiert die Regierung bereits intensiv über ein weitreichendes Papier. Darin geht es neben den von Lindner erwähnten Leistungskürzungen auch um leichtere Ausweisungen von Geflüchteten, die Waffen eingesetzt haben.

Diskutiert wird demnach auch über neue Polizeibefugnisse. So könnte die Koalition der Bundespolizei, die für die Sicherheit an Bahnhöfen zuständig ist, verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen und damit die Suche nach Waffen erleichtern. Auch das von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagene Verbot von Messern mit langer Klinge werde weiter diskutiert.

Habeck: Merz-Vorschlag ist "unverantwortlich"

Den Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz jedoch, eine "nationale Notlage" auszurufen, wies Vizekanzler Robert Habeck mit scharfen Worten zurück. "Das ist nicht Problemlösung, das ist unverantwortlich", sagte der Grünen-Politiker bei einer Wahlkampfveranstaltung der sächsischen Grünen in Leipzig. 

Merz hatte die Erklärung einer "nationalen Notlage" ins Spiel gebracht, um EU-Recht auszuhebeln und Migranten zurückweisen zu können, die zuerst in ein anderes EU-Land eingereist sind. Habeck wies darauf hin, dass dies zu großen Verwerfungen in der EU führen würde.

Klingbeil warnt vor "blindem Aktionismus"

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte ebenfalls vor "blindem Aktionismus". Der Rheinischen Post sagte er: "Ich bin bereit, dass alles auf den Prüfstand kommt, was tatsächlich hilft, für Sicherheit in Deutschland zu sorgen. Blinder Aktionismus ist nicht der richtige Weg, es muss konkret sein."

So müssten laut Klingbeil Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien jetzt umgesetzt werden. Auch sollten Behörden mehr Möglichkeiten bekommen, "Radikalisierungsstrukturen islamistischer Terroristen" auch im Internet "zu durchleuchten". "Hasspredigern auf TikTok und anderen Netzwerken" sollte man den "Saft abstellen".

Scholz will Gespräche mit Union und Ländern

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach dem mutmaßlich islamistischen Attentat Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft über die möglichen Konsequenzen angekündigt. Faeser werde "sehr zügig jeweils einen Vertreter des Vorsitzes und Co-Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, Vertreter der größten Oppositionspartei und involvierte Bundesressorts zu vertraulichen und zielgerichteten Gesprächen über diese Frage einladen", sagte Scholz.

Bei den Gesprächen solle es um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bekämpfung des islamistischen Terrors und das Waffenrecht gehen. Dabei sollten auch Vorschläge von Ländern und Union berücksichtigt werden.

Scholz reagiert mit der Gründung der Arbeitsgruppe auf einen Vorstoß von Merz, mit dem er am Dienstag über die Folgen der Messerattacke gesprochen hatte. Der Oppositionschef hatte sich allerdings nur für die Benennung von jeweils einem Beauftragten von Regierung und Union ausgesprochen, die eine Zusammenarbeit bei Gesetzesänderungen vorbereiten sollten.

Scholz hatte bereits im vergangenen Jahr Abschiebungen "in großem Stil" angekündigt. Obwohl die Zahl der Abschiebungen im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Viertel zugenommen habe, sei das längst noch nicht genug: "Deshalb wird die Bundesregierung ihre Bemühungen fortsetzen, die irreguläre Migration weiter zu begrenzen. Dazu gehören auch neue gesetzliche Maßnahmen, die wir in der Bundesregierung seit dem Wochenende intensiv miteinander abstimmen."

Drei Menschen in Solingen getötet

Beim mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hatte ein Angreifer am Freitagabend auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz "Islamischer Staat". Diese hatte die Tat für sich reklamiert und auch ein Video eines maskierten Mannes veröffentlicht, bei dem es sich um den Täter handeln soll.

Der mutmaßliche Täter hätte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.