Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei einem Wahlkampfauftritt im thüringischen Jena.

Nach Gespräch mit Merz Scholz lehnt grundsätzliche Asyländerung ab

Stand: 28.08.2024 08:53 Uhr

Angesichts des Anschlags in Solingen hat CDU-Chef Merz einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge gefordert - doch der Kanzler stellt sich nun klar dagegen. Die FDP zeigt sich wiederum offen für einige von Merz' Vorschlägen, die Grünen üben Kritik.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Vorschlägen von CDU-Chef Friedrich Merz in Teilen eine Absage erteilt. "Das Individualrecht auf Asyl bleibt erhalten", sagte der Regierungschef im ZDF. Mit Blick auf das im Grundgesetz verankerte Recht stellte er klar: "Das wird niemand mit meiner Unterstützung infrage stellen." Nach einem Gespräch mit Scholz hatte Merz zuvor einen generellen Aufnahmestopp von Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan ins Spiel gebracht.

Wenig später war Merz wieder zurückgerudert und sprach nur noch von einem "faktischen Aufnahmestopp". Die Nachrichtenagentur dpa zitierte dazu aus einem CDU-Papier, das Merz nach dem Scholz-Gespräch an den Parteivorstand verschickt hatte, in dem steht: "Eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz fordern wir nicht." Sein Vorstoß soll im Vorstand Fragen aufgeworfen haben, berichtete die dpa. Merz' Forderungen stehen vor dem Hintergrund des mutmaßlich islamistischen Anschlags in Solingen durch einen syrischen Geflüchteten.

Scholz will Grenzkontrollen beibehalten

Der Bundeskanzler hatte im ZDF gesagt, es könne keine pauschale Ablehnung an Deutschlands Grenzen geben. Wichtig sei es, irreguläre Migration zu reduzieren, fügte der Kanzler hinzu. Dafür spielten feste Grenzkontrollen eine wichtige Rolle. Er sei dafür, diese Grenzkontrollen "so lange wie möglich fortzuführen".

Lindner findet seine Partei in Merz' Vorschlägen wieder

Der Oppositionsführer hatte Scholz unter anderem angeboten, Gesetzesänderungen auch gegen den Willen der Ampel-Partner von Grünen und FDP durchzusetzen. FDP-Chef Christian Lindner ging darauf zwar nicht direkt ein, bot Merz aber eine Zusammenarbeit an. "Die FDP steht zu überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von Bund und Ländern konsequent durchzusetzen", sagte Lindner der "Bild". Merz' Vorschläge "decken sich stark mit denen der FDP".

Lindner sprach sich zudem dafür aus, bestimmten Asylbewerbern die Sozialleistungen zu streichen, um sie zur Ausreise "in das zuständige EU-Land" zu bewegen. Nach der Dublin-Regel der EU muss ein Asylbewerber seinen Antrag in dem Mitgliedsstaat stellen, in den er als erstes in das Gebiet der Europäischen Union einreist. Der Solingen-Attentäter war über Bulgarien in die EU eingereist und sollte eigentlich dorthin abgeschoben werden.

Von Notz: Merz sorgt für Verunsicherung

Aus der SPD und von den Grünen kam vor allem Kritik am Vorgehen des CDU-Chefs Merz. SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese sagte der Funke-Mediengruppe: "Die Aufforderung zum Koalitionsbruch ist doch eher den Wahlen am Sonntag geschuldet. Dies bedauere ich sehr." Am Sonntag sind Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), kritisierte im ARD-Morgenmagazin, CDU-Chef Merz sorge mit seiner Rede von einer Notlage für Verunsicherung. Von Notz forderte, man müsse die Sicherheitsbehörden stärken und die Propaganda eindämmen, die Tag für Tag in den Sozialen Medien zu sehen und zu hören sei. Dafür gebe es genügend Gesetze, nur müssten diese auch konsequent angewendet und durchgesetzt werden.

Mihalic wirft CDU-Chef politisches Zündeln vor

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, warf dem Oppositionsführer vor, dass Merz politisch "zündelt", statt Verantwortung zu übernehmen. Der Ton der Debatte müsse sich dringend ändern, "sonst spielen wir am Ende den extremistischen Feinden unseres demokratischen Rechtsstaates in die Hände". Trotz der Kritik zeigte sich die Grünen-Politikerin offen für Gespräche und "konstruktive Vorschläge, die mit der Verfassung, den Grund- und Menschenrechten vereinbar sind".

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, es brauche zielgerichtete Maßnahmen und echte Lösungen. Darum müsse es gehen, "nicht um die eigene Profilierung", sagte sie, ohne Merz namentlich zu nennen. "Alle demokratischen Parteien sind in der Verantwortung, die Gefahren des islamistischen Terrors entschieden zu bekämpfen."