Annalena Baerbock schüttelt in Peking die Hand von Lia Jianchao.
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Außenministerin Baerbock in China Ein Besuch voller ehrenwerter Appelle

Stand: 02.12.2024 17:36 Uhr

Außenministerin Baerbock ist einen Tag zu Besuch in Peking. Dort sieht sie sich mit dem chinesischen Stil konfrontiert, platziert aber auch wichtige Appelle. Es geht um das Verhältnis zu Russland und den Krieg gegen die Ukraine.

Eine Analyse von Claudia Buckenmaier, ARD-Hauptstadtstudio

Am Abend ihres eintägigen Arbeitsbesuchs geht es für Außenministerin Annalena Baerbock noch einmal durch Peking - entlang der Verbotenen Stadt, vorbei am Mao-Porträt über dem festlich rot angestrahlten Eingang. Alles in den Farben der chinesischen Flagge, alles immer auch eine Machtdemonstration.

Baerbocks Ziel: der Hauptsitz der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Chinas. Dort erwartet sie ein jovial wirkender Herr, Liu Jianchao, der Minister der internationalen Abteilung, eine Art Außenbeauftragter der Partei. In fließendem Englisch gibt er den Fremdenführer, erklärt ihr die Dekoration in der Empfangshalle.

Ein rotes Banner lässt keinen Zweifel daran, wer in China zurzeit das Sagen hat. Alle, so die Losung, sollen sich um den Genossen Xi Jinping zusammenschließen. Sie sollen ein starkes Land aufbauen und "die große Sache der nationalen Erneuerung durch Modernisierung im chinesischen Stil" fördern.

Nicht zu viel der Ehre

Mit diesem chinesischen Stil wird die deutsche Außenministerin immer wieder konfrontiert. Zu allererst durch ihren chinesischen Kollegen Wang Yi. Zwar räumt er ihr viel Zeit ein - etwas mehr als drei Stunden sitzen die Delegationen zusammen -, aber eine gemeinsame Pressekonferenz gibt es nicht.

Baerbock scheint etwas enttäuscht. Sie wäre gerne an seiner Seite aufgetreten, auch um ihre Position der chinesischen Öffentlichkeit zu präsentieren. Aber in dem Moment ist sie dann wohl doch die Ministerin, die schon bald nicht mehr im Amt sein wird.

Nicht zu viel der Ehre und vor allem ohne Not kein Risiko eingehen. Wang erinnert sich wohl noch gut an Baerbocks letzten Besuch in Peking im April 2023, als sein Vorgänger sich öffentlich deutliche Kritik an der chinesischen Russlandpolitik anhören musste und schließlich konterte, China brauche keine Belehrung aus Deutschland.

Auch der russische Angriffskrieg ist Thema

Als Baerbock zu Beginn des Treffens im Eingangsstatement, als noch gefilmt werden darf, die nordkoreanischen Soldaten erwähnt, die in Russland kämpfen, wird die kleine Gruppe wie zufällig aus dem Raum gedrängt. Journalisten, die in Peking leben und arbeiten, halten das nicht für einen Zufall. Ein unangenehmes Thema für die chinesische Seite, der die Annäherung Nordkoreas an Russland nicht wirklich gefällt.

Die Außenministerin versucht, das für ihr Anliegen zu nutzen. Putin ziehe über die Anwerbung nordkoreanischer Soldaten Asien in den Ukraine-Krieg mit hinein. Sein Angriff auf das Nachbarland gefährdet die Sicherheitsinteressen Europas, aber nun eben auch die Chinas und der anderen Länder in der Region.

Auch die Geheimdienstberichte, dass eine russische Firma mithilfe von chinesischen Spezialisten in China weitreichende Kampfdrohnen entwickelt habe, die schon bald in Serienproduktion gehen könnten, spricht sie an. Das müsse Konsequenzen haben.

Doch statt scharf zu drohen, scheint sie der chinesischen Seite einen Ausweg anzubieten: Auch in Europa gäbe es Firmen, erklärt sie den mitgereisten Journalisten, die Sanktionen umgehen würden. Das müsste man benennen und dann etwas dagegen unternehmen.

Klar in der Sache, freundlich im Ton

Bedeutet Baerbocks Andeutung, dass sie China eine Chance auf eine gesichtswahrende Antwort geben will? Sprich: Vielleicht ist es ja ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich falsch verhält, und nicht die Regierung?

Ob im Bereich der Sicherheits- oder der Wirtschaftspolitik, Baerbock scheint dieses Mal ihrem selbst formulierten Motto zu folgen: klar in der Sache, aber freundlich im Ton. Sie hat ihre Anliegen vorgebracht, aber wurde sie auch gehört?

Sie hat keinen Durchbruch erwartet, und doch wirkt sie angestrengt, als sie zur Pressekonferenz kommt. Der Besuch sei wichtig gewesen, erklärt Baerbock. Man müsse ihn im Kontext des G7-Außenministertreffens und des Besuchs der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in Berlin sehen sowie dem am Mittwoch beginnenden Treffen der NATO-Außenminister. Alles abgestimmt mit den europäischen Partnern, keine Alleingänge.

Kein öffentliches Zugeständnis

Auffällig ist, dass beide Seiten wiederholt betonen, dass es zwar Differenzen und unterschiedliche Meinungen in Deutschland und China gibt, dass das aber kein Hindernis für Zusammenarbeit sein muss oder gar ist. Baerbock lobt die Kooperation zwischen der EU und China bei der Klimakonferenz in Baku. Aus ihrer Sicht ein Vorbild für andere Politikbereiche.

Der Besuch der deutschen Außenministerin ist ein Besuch voller ehrenwerter und wichtiger Appelle. Keine öffentliche Brüskierung, aber auch kein öffentliches Zugeständnis.

Das Land, das Baerbock vertritt, schwächelt aus Sicht ihrer chinesischen Gesprächspartner, wirtschaftlich wie politisch, so kurz vor den vorgezogenen Neuwahlen. Und am Horizont wartet der alte neue Präsident der USA. Donald Trumps Politik wird wesentlich beeinflussen, wie sich China politisch aufstellt. Deutschland und Europa scheinen da im Moment eher eine Fußnote.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Dezember 2024 um 10:00 Uhr.