Bauern-Protest in Berlin Traktoren, Staus und Dialog
Es soll der Höhepunkt der Protestwoche sein: In Berlin hat eine Großdemonstration von Landwirten aus ganz Deutschland begonnen. Am Nachmittag ist ein Dialog mit den Ampel-Fraktionen geplant - die vorab Zugeständnisse signalisieren.
In Berlin hat die vom Deutschen Bauernverband organisierte Großdemonstration gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung in der Landwirtschaft begonnen. Nach ersten Schätzungen seien dafür "weit über 5.000 Fahrzeuge" wie Traktoren und Lastwagen in die Hauptstadt gekommen, sagte eine Sprecherin der Polizei.
Im Bereich rund um das Brandenburger Tor kam es zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen, die jedoch "im erwarteten Rahmen" blieben, ergänzte die Sprecherin. Auch der öffentliche Nahverkehr steht teils still, wie der RBB berichtet.
"Es geht nichts mehr"
Manche Landwirte parkten schon am Wochenende ihre Traktoren und Lkw auf der Straße des 17. Juni in der Nähe des Brandenburger Tors - und verbrachten dort teilweise die Nacht.
Schon viele Stunden vor Beginn der Großdemonstration hatte die Polizei bereits am Sonntagabend keine Traktoren mehr auf die Kundgebungsfläche in der Innenstadt gelassen. "Es geht nichts mehr", sagte ein Polizeisprecher am Abend. Die Fahrzeuge mussten am Olympiastadion im Berliner Westen abgestellt werden.
Die Demonstration wird von 1.300 Polizisten begleitet. Vor allem zur Begleitung der Fahrten der Traktoren und Lastwagen in das Regierungsviertel sei die Polizei nötig, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Dem Schutz des Regierungsviertels käme dabei eine "ganz besondere Bedeutung" zu.
Dialog mit Ampelparteien geplant
Neben Vertretern der Bauernverbände will auf der Kundgebung am Brandenburger Tor auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprechen.
Am Nachmittag wollen sich dann SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann und FDP-Fraktionschef Christian Dürr mit den Spitzen der Bauernverbände im Bundestag treffen.
Streit um Subventionen für Agradiesel
Mit Trecker-Korsos machten Landwirte in den vergangenen Tagen im gesamten Land Front gegen Einsparpläne der Bundesregierung für den Haushalt 2024. Konkret soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Noch können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter.
Ursprünglich sollte die Hilfe sofort ganz wegfallen. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge strich die Regierung ganz. Der Deutsche Bauernverband fordert aber, alle Kürzungen komplett zurückzunehmen.
Ampelparteien signalisieren Zugeständnisse
FDP-Fraktionschef Dürr sprach sich vor dem Treffen mit den Landwirten für einen grundsätzlich anderen Umgang mit der Landwirtschaft aus. Mit Blick auf den Streit um den Agrar-Diesel sagte er im ARD-Morgenmagazin: "Es geht in Wahrheit um mehr, übrigens auch Dinge, die Kosten verursachen. Wenn man immer mehr Bürokratie verursacht, dann wird es teurer für die Landwirte", kritisierte er.
Dies betreffe etwa den Pflanzenschutz. Man brauche eine "Zeitenwende" auch in der Agrarpolitik. Auf EU-Ebene sollte auf weitere Pläne zur Flächenstilllegung verzichtet werden, so Dürr.
Diskussion über Tierwohlabgabe
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warb in der Süddeutschen Zeitung dafür, rasch eine Tierwohlabgabe einzuführen. "Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können - so, wie es doch alle verlangen", sagte Özdemir.
Vorschläge dafür gibt es schon seit 2020. Demnach würde je Kilo Fleisch, Milch oder Eiern eine Abgabe fällig. Die Einnahmen kämen den Landwirten zugute, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen. "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, vielmehr müssen wir es jetzt endlich mal einbauen", sagte Özdemir und sprach von einem "Tierwohl-Cent".
Die Macht der Handelsketten aufbrechen
Aus FDP und SPD kommt dafür Zuspruch. Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus von der SPD verteidigte im Deutschlandfunk die geplante schrittweise Kürzung der Subventionen für Agrar-Diesel.
Zugleich forderte er aber einen langsameren Ausstieg und die Erforschung von Alternativen. "Wir hatten ja mal einen Biodiesel-, Biogas- und einen Ethanol-Bereich", so Backhaus. Damit könne die Landwirtschaft sich selbst versorgen.
Backhaus forderte zudem höhere Preise für Agrarprodukte wie Milch, einen Bürokratieabbau sowie eine Begrenzung der Macht der Handelsketten durch das Kartellrecht. Es gebe vier Großkonzerne, die 85 Prozent der Bevölkerung versorgten. "Der Weizenpreis oder der Milchpreis ist um ein Drittel gefallen", sagte er mit Blick auf das Geld, das Erzeuger bekommen. "Und an der Ladentheke sind die Preise gestiegen. Wer steckt sich denn hier das Geld in die Tasche? Es ist doch vollkommen klar."
Zu der Großdemonstration haben Bauernverbände und der Speditionsverband BGL aufgerufen. Rund 5.000 Traktoren und Landmaschinen werden aus dem gesamten Bundesgebiet zu der Kundgebung erwartet. Es ist der Höhepunkt einer Aktionswoche gegen die Pläne der Regierung.