Beschaffungen für Bundeswehr "Mut zu 80-Prozent-Lösungen"
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann fordert eine Beschleunigung des Beschaffungswesens in der Bundeswehr. Dafür seien auch Anpassungen des Grundgesetzes denkbar. Versäumnisse sieht sie bei Kanzler Scholz.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sieht mehrere Ansatzpunkte für eine schnellere Beschaffung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr. Im Gespräch mit der Presseagentur dpa zeichnete sie einige Möglichkeiten, um entsprechende Prozesse zu beschleunigen. Auch Änderungen am Grundgesetz zieht sie dafür in Betracht.
"Zeitenwende muss auch im Beschaffungswesen gelten", sagte Strack-Zimmermann mit Verweis auf die Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz zu Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Geprüft werden könnte etwa, ob sich die durch das Grundgesetz derzeit vorgegebene Trennung von Bundeswehr-Verwaltung aufgeben ließe. So könne man "aus dem Nebeneinander ein besseres Miteinander" machen.
Deutschland muss Beschaffung strategisch denken
Als eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte der Bundestag ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Ausstattung der lange vernachlässigten Bundeswehr beschlossen. Doch der Topf wurde bisher kaum angerührt: Opposition und Rüstungsindustrie kritisierten bereits den schleppenden Start der Beschaffungsmaßnahmen. Es gebe noch immer kaum Aufträge, heißt es aus Branchenkreisen.
Das Beschaffungswesen der Bundeswehr sei ein "kompliziertes Konglomerat aus Institutionen, Prozessen und Regeln", bemängelte Strack-Zimmermann. Deutschland müsse also lernen, Beschaffung strategisch zu denken. Für die Verteidigungspolitikerin sind dabei drei Faktoren relevant: "Stärkung der europäischen Resilienz, Erhöhung der Kompatibilität mit unseren Partnern und Mut zu 80-Prozent-Lösungen."
Der wichtigste Punkt bleibe aber der Wille aller Beteiligten, vom Minister bis zum Sachbearbeiter, der Truppe das richtige Material schneller zur Verfügung zu stellen. Dann seien auch bei der Bundeswehr Ergebnisse in "LNG-Geschwindigkeit" möglich, sagte Strack-Zimmermann mit Fingerzeig auf die außerordentliche Baubeschleunigung bei den neuen Terminals der Bundesrepublik für die Einspeisung von mit Schiffen transportiertem Flüssigerdgas in das deutsche Gasnetz.
Unterstützung für Pistorius
In Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht Strack-Zimmermann den richtigen Mann für die nötigen Schritte. Sie habe ihn bereits als Vertreter des Bundesrates bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO kennengelernt. "Er ist im Thema und fängt nicht bei null an. Zehn Jahre war er als Innenminister Niedersachsens Dienstherr der Polizei. Da gibt es zu Soldaten durchaus Parallelen", sagte sie.
Die Rüstungsbelange der Bundesrepublik spielten dabei auch eine Rolle im NATO-Gefüge. Neben den nötigen Aufstockungen, um der Ukraine weiterhin im Krieg beizustehen, müsse man die Bundeswehr eben auch ertüchtigen, damit sie in einem Bündnisfall leisten könne, was der NATO zugesagt sei. Um die Ziele zu erreichen, habe Strack-Zimmermann Pistorius ihre Unterstützung zugesichert: "Ich habe ihm gesagt, geht es um die Modernisierung der Bundeswehr, kann er sich auf die Freien Demokraten verlassen."
Hoffnungen setzt die FDP-Politikerin ebenfalls in den neuen Generalinspekteur Carsten Breuer. "Auch er muss Wunder bewirken", sagte sie. "Bei Corona hat er gezeigt, dass er Logistik und Organisation beherrscht, und dass er Zugang zum Kanzler hat. Das ist ja auch nicht das Schlechteste. Ich hoffe, die Berater des Kanzlers hören mehr auf die militärische Expertise des Generalinspekteurs, als dieser auf die vermeintliche Expertise der Kanzlerberater."
Versäumnisse im Kanzleramt
Strack-Zimmermann hatte sich seit Kriegsbeginn stets für umfangreichere Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Dabei kritisierte sie auch oft das zögerliche Handeln des Bundeskanzlers. Viele der mittlerweile aus dem Bestand der Bundeswehr an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme seien im Anschluss aber nicht nachbestellt worden und würden nun fehlen. Hier sieht sie Scholz ebenfalls in der Pflicht: "Warum das nicht sofort nachbestellt wurde. Das Nadelöhr dürfte im Kanzleramt gelegen haben."
An der Seite der Ukraine zu bleiben, heiße nun, neben humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe weiterhin militärisches Material zu liefern - unter anderem Flugabwehrsysteme, Panzerhaubitzen und "Gepard"-Flak-Panzer. "Allem voran aber braucht es Munition, Munition, Munition. Das, was wir den Ukrainern liefern, ist ausgesprochen wirkungsvoll und hat viele Menschenleben gerettet", bekräftigte Strack-Zimmermann.