Bundespolizisten an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt (Oder)

Grenzkontrollen zu Polen Bilanz im Nebel

Stand: 02.01.2025 15:00 Uhr

Seit mehr als einem Jahr wird die Grenze zu Polen von der Polizei kontrolliert. Das Ziel: illegale Migration verringern. Ob das klappt, lässt sich aber nicht klar sagen.

Von Andre Kartschall und Felicitas Montag, rbb

An der Grenzbrücke zwischen Frankfurt an der Oder und dem polnischen Slubice stehen zwei Bundespolizisten und schauen in den Dezembernebel. Ein Pkw nach dem anderen schiebt sich langsam an über die Brücke - somit reisen die Insassen nach Deutschland ein. Die Polizisten schauen auf die Kennzeichen, auf Marke und Typ und auch in die Autos. Ab und an winken sie mit der Kelle Fahrer heraus.

Seit rund 15 Monaten wird an der Grenze zu Polen kontrolliert. Das erklärte Ziel: "Schleuser" stoppen. Anders ausgedrückt: die illegale Einwanderung eindämmen. Dazu gibt Checkpoints wie den an der Grenzbrücke sowie zusätzliche Maßnahmen in den Grenzgebieten: Fahndung, Überwachung, Patrouillen.

Zahlen lassen mehrere Schlüsse zu

Ob das alles Deutschland dem Ziel näher gebracht hat, die Asylmigration zu verringern, ist umstritten. Die Zahlen lassen mehrere Schlüsse zu. Zudem gibt es Kritik an den Maßnahmen, von Flüchtlingshelfern, aber auch von Anwohnern und Gewerbetreibenden in den Grenzregionen.

Ein Blick auf die Zahlen der Bundespolizei zeigt, dass von Oktober 2023 bis August 2024 an der brandenburgisch-polnischen Grenze und am Flughafen BER 10.974 illegale Einreisen festgestellt wurden. Das sind gerade einmal 300 mehr als im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor - bevor die Grenzkontrollen begannen.

Daraus lasse sich aber nicht schlussfolgern, dass die Kontrollen nichts bringen, so Andreas Roßkopf, Bezirksvorsitzender Bundespolizei/Zoll bei der Gewerkschaft der Polizei.

"Die Schleuser nutzen den bequemsten und sichersten Weg." Heißt: Vor den Grenzkontrollen sind sie mutmaßlich oft einfach mit dem Auto über die Brücke gefahren - nun ist es komplizierter.

Weniger Asylanträge gestellt

Eine andere Zahl wird gern verwendet, um die vermeintliche Wirksamkeit der Grenzkontrollen zu belegen: sinkende Asylantragszahlen. Roßkopf aber widerspricht dieser Deutung: "Die Migrationsströme sinken um rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das liegt aber an der stärkeren Überwachung der EU-Außengrenzen. Gerade Bulgarien, Rumänien, Tunesien und Libyen tun da sehr viel."

Wer es aber bis in die Europäische Union und bis an die deutsche Außengrenze schaffe, dem gelinge es wohl auch irgendwann, bis nach Deutschland zu kommen. Denn die Bundespolizei ist - laut Gewerkschaft - gar nicht dafür ausgestattet, die Grenzen des Landes effektiv zu überwachen, weder personell, noch materiell.

Roßkopf bemängelt, die Behörde laufe den Anforderungen hinterher: "Drohnen, Kameraüberwachung, Kennzeichenerfassung: der technische Fortschritt fehlt uns. Hier hat sich seit Jahren nichts getan." Gleichzeitig seien die Kontrollen eine hohe Belastung für die Bundespolizei, einzelne Einheiten würden fast schon zweckentfremdet. "Wir haben Bereitschaftspolizei im Dauereinsatz. Dafür ist diese nicht gedacht."

Hohe Kosten, überschaubarer Erfolg?

Wenn man Roßkopfs Lesart folgt, bleibt ein aufwändiger und mäßig effektiver Einsatz, der die Bundespolizei permanent überfordert. Finanziell würde insbesondere die dauerhafte Unterbringung der vielen Polizisten Löcher in das Budget reißen. "Die Bundespolizei muss das alles aus dem normalen Etat schaffen. Im April 2024 war der Haushaltstitel 'Reisekosten' aufgebraucht."

Doch mehr Geld gebe es nicht. Stattdessen würden Investitionen verschoben, die benötigte Technik noch später gekauft. Ein besonders prägnantes Beispiel laut Roßkopf: "Wir hätten eine neue Maschinenpistole bekommen sollen. Unsere ist 30 Jahre alt."

"Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis"

Die Kontrollen haben auch Auswirkungen auf das Leben in der Grenzregion. Das "Europa ohne Grenzen" ist hier eigentlich Alltag. Der Campus der Viadrina-Universität liegt sowohl auf Frankfurter Seite als auch in Slubice. Bürger beider Städte pendelten jahrelang ungestört über die Brücke: mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß. Seit die Kontrollen da sind, gibt es stattdessen hin und wieder Staus. Das stört auch den kleinen Grenzhandel.

Frankfurts Bürgermeister René Wilke (parteilos) betont zwar, dass die Grenzkontrollen wirksam seien, räumt aber auch ein, dass sich das gemeinsame Lebensgefühl verändert habe: "Das ist schon eine Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis. Das kann man einfach nicht schön reden, das ist so."

Wirtschaft leidet unter Staus an der Grenze

Ein paar Kilometer entfernt, auf der anderen Seite der Oder, steht Aleksandra Wypij in ihrem Restaurant und erklärt, welche wirtschaftlichen Folgen die Kontrollen mit sich bringen. Das Problem beginne vor allem mit den Staus. Kilometerlang stünden die Fahrzeuge an manchen Tagen auf der polnischen Seite in Fahrtrichtung Deutschland.

Nicht gut für das Geschäft, erklärt Wypij. Wer wolle schon nach dem Restaurantbesuch stundenlang im Stau stehen? Sie organisierte sogar eigene Demonstrationen gegen die Zustände - mit etwas Erfolg. Die Proteste fanden - zumindest in Polen - Aufmerksamkeit. Seitdem habe der Verkehr etwas abgenommen, berichtet Wypij: Statt in in Slubice über die Grenze zu fahren, nutzten viele nun andere Übergänge.

Erledigt sei das Problem damit aber noch nicht. Denn die Staus hätten sich mittlerweile herumgesprochen - die deutsche Kundschaft bleibe aus. Ausflüge auf den umgangssprachlich "Polenmarkt" genannten Basar direkt hinter der Grenze seien seltener geworden. Wypij: "Nicht nur die Leute aus Frankfurt (Oder), sondern auch aus Berlin sind zum Einkaufen gekommen. Das machen sie nicht mehr."

Faeser für Verlängerung der Grenzkontrollen

Bislang ist ein Ende der Grenzkontrollen nicht abzusehen. Eigentlich sollten sie Ende März 2025 auslaufen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich jetzt für eine Verlängerung ausgesprochen. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen sagte Faeser, dass die Maßnahmen "zur Begrenzung der irregulären Migration und zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität wirken."

In einer früheren Version waren Namen und Funktion des Bezirksvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Roßkopf, falsch. Dies wurde korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Informationen am Morgen" am 18. Oktober 2024 um 05:57 Uhr.