Ein Jahr BSW Der Erfolg bringt auch Probleme
Seit einem Jahr gibt es die Wagenknecht-Partei. Aus dem Stand ist das BSW ein Machtfaktor geworden. Doch mit dem Erfolg begannen auch die Probleme.
Manchmal hilft ein Blick in alte Drehbücher, wenn man den nächsten Hit schreiben will. Und in einem der ältesten Drehbücher, also der Bibel, steht: "Am Anfang war das Wort". So ist es auch am 8. Januar 2024 beim BSW: "Sehr geehrte Damen und Herren, heute Vormittag haben wir die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht, Vernunft und Gerechtigkeit, kurz BSW gegründet", verkündete Sahra Wagenknecht heute vor einem Jahr.
Gründerin, Namensgeberin, Vorsitzende - Sahra Wagenknecht ist das BSW. Und sie ist allgegenwärtig. In Talkshows, Zeitungsinterviews, auf Plakaten - und auch in den Umfragen. Von Beginn an wird dem Bündnis zugetraut, in den Bundestag zu kommen.
"Weil wir nicht nur zuschauen"
Das BSW ist aus dem Stand ein Machtfaktor. Denn darum geht es. "Alles ist möglich. Und wir starten auch jetzt deshalb, weil wir nicht nur zuschauen, sondern weil wir eingreifen und handeln wollen", sagte Wagenknecht. Fortan hänge es auch von BSW ab, wie Deutschland in fünf oder zehn Jahren aussehen wird, erklärte sie.
Aber der Glaube allein reicht nicht, auch das BSW braucht Strukturen. Als ehrgeiziges Ziel wurde die Gründung von 16 Landesverbänden in zwölf Monaten ausgerufen. Eine organisatorische Mammutaufgabe. Dabei gab es zwar viele Menschen, die Mitglieder werden wollten. Aber weniger, die in der Partei Aufgaben übernehmen könnten.
Mitglieder kommen aus anderen Parteien
Trotzdem standen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Verbände noch vor den Landtagswahlen. In Berlin kamen im Sommer rund 80 Gründungsmitglieder für einen Landesverband zusammen. Viele ehemalige Mitglieder anderer Parteien sind dabei - FDP, Linke, SPD.
So bunt ihre politische Herkunft ist, es eint sie die Ablehnung der etablierten Parteien - und vor allem der damals noch regierenden Ampel. Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine, nein zum Verbrenner-Aus, nein zum Gendern. Dafür ja zu russischem Gas, ja zur Aufarbeitung der Corona-Zeit und ja zu einer Verschärfung der Migrationspolitik.
Das hat mit landespolitischen Fragen zwar wenig zu tun, aber die Antihaltung bescherte dem BSW zeitweise zweistellige Umfragewerte und Wahlerfolge in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
Öffentlicher Zwist mit Thüringer BSW-Chefin
Doch mit dem Erfolg begannen auch die Probleme: Die pragmatische Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf stellte Regierungsbeteiligung mit CDU und SPD über Sahra Wagenknechts Maximalforderungen in Sachen Ukraine-Krieg. Es folgte ein teilweise öffentlich ausgetragener Machtkampf zwischen Wagenknecht und Wolf. Dieser Streit um Glaubensfragen kostete das BSW Zustimmung in den Umfragen. Aus bundesweit zehn Prozent im Spätsommer wurden bis zum Jahreswechsel - je nach Umfrageinstitut - nur noch vier bis sieben Prozent.
Alles in allem ein anstrengendes Jahr, findet auch die Partei-Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali - die Luft sei aber noch längst nicht raus: "Natürlich war das eine Herausforderung. Wir haben noch keine staatliche Parteienfinanzierung. Wir haben einen relativ kleinen Apparat nach wie vor, weil wir ja nur spendenfinanziert sind." Jeder Einzelne müsse viel arbeiten und machen, so Mohamed Ali. "Aber wir haben uns ja aus einem Grund gegründet, weil wir wirklich der Auffassung sind, dass die Politik in unserem Land sich verändern muss."
"BSW besetzt inhaltlich bisher freien Raum"
Schon jetzt hat das BSW die politische Landschaft verändert. Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas erklärt die Methode: "Das BSW besetzt inhaltlich einen bisher freien Raum. Es verbindet nämlich ökonomisch linke Themen mit gesellschaftlich gesehen eher konservativ rechten Themen." Das sei im bisherigen deutschen Parteiensystem eine Lücke gewesen. Und in genau die stoße das BSW sehr erfolgreich hinein.