Kulturschaffende im Exil Steinmeier pocht auf Verpflichtung für Verfolgte
Der Bundespräsident fordert, politisch Verfolgte in Deutschland "mit offenen Armen" aufzunehmen - dazu verpflichte die eigene "Geschichte des Exils". Konkrete Kritik richtet Steinmeier an Belarus, die Türkei und den Iran.
Bei einer Kulturveranstaltung im Schloss Bellevue hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf eine Verantwortung Deutschlands für internationale Künstlerinnen, Künstler und Intellektuelle verwiesen, die in ihrer Heimat bedroht werden und diese verlassen müssen. "Wir in Deutschland haben aus unserer Geschichte eine besondere Verpflichtung, denen, die in ihrer Heimat politisch verfolgt werden", so Steinmeier. Es handele sich um Menschen, die "ihrer Rechte beraubt werden, die fliehen und ins Exil gehen müssen, eine sichere Heimstatt zu gewähren", sagte der Bundespräsident.
In der Zeit des Nationalsozialismus seien viele Bürgerinnen und Bürger - darunter viele der besten Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle - gezwungen gewesen, Deutschland zu verlassen. "Sie waren darauf angewiesen, dass man ihnen Schutz und Zuflucht bot", so Steinmeier laut vorab veröffentlichtem Redetext.
Viele der im Nationalsozialismus Vertriebenen hätten sich den Streitkräften oder Geheimdiensten der Alliierten zur Verfügung gestellt, die Deutschland von der Diktatur befreien sollten, sagte der Bundespräsident. Gerade in der Uniform der Befreiungstruppen hätten diese Emigranten ihre Liebe zu Deutschland gelebt. Sie seien "Patrioten in fremder Uniform" gewesen. "Die deutsche Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, und gerade die deutsche Kulturgeschichte, ist wesentlich eine Geschichte der Emigration, des Exils", so Steinmeier.
Unter anderem Literaturnobelpreisträgerin Müller zu Gast
In Steinmeiers Namen eingeladen wurden mehrere heute in Deutschland lebende Künstlerinnen und Künstler. Sie sollten von ihren Erfahrungen berichten. Auf der Gästeliste standen unter unter anderem die in Rumänien aufgewachsene Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der in Sri Lanka geborene Schriftsteller, Philosoph und Theologe Senthuran Varatharajah und die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan.
Unter denen, die heute in Deutschland Zuflucht gefunden hätten, seien bedeutende Künstlerinnen und Künstler, engagierte Kämpferinnen und Kämpfer für ihr Land - wie jene, die seinerzeit Deutschland verlassen mussten. Steinmeier erinnerte in diesem Zusammenhang auch an Menschen, die keine rettende Zuflucht gefunden hätten, sondern in ihren Ländern gefangen oder gestorben sind, darunter die vor einem knappen Jahr auf einer Polizeiwache gewaltsam zu Tode gekommene Iranerin Jina Mahsa Amini.
Kritik an Belarus und der Türkei
Steinmeier kritisierte ferner die Inhaftierung von Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtlern in der Türkei und in Belarus. In Belarus würden die Haftbedingungen seit Monaten schlimmer. An den dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko gerichtet sagte er: "Wir schauen nicht weg."
Die Heimat verlassen zu müssen, sei ein uraltes Trauma der Menschheit, so Steinmeier. "Ins Exil gehen zu müssen, das rührt immer an die Wurzeln jeder Existenz, an den innersten Kern jedes Lebens." Denn jeder Mensch wolle ein Zuhause haben, eine Heimat, in die er gehöre, in der seine Lieben seien, in der er die Sprache seiner Kindheit hören und sprechen könne.
"Und wenn er in der Fremde eine neue Heimat suchen muss, dann soll er offene Arme, offene Herzen finden, dann soll ihm doch eine Zukunft, eine gute Zukunft möglich sein - auf Zeit oder für sein ganzes weiteres Leben", sagte der Bundespräsident.