Konvent zu Grundsatzprogramm CDU auf Selbstfindungskurs
Wie stellt sich die CDU auf - auch in Abgrenzung zur umfragestarken AfD? Beim Parteikonvent wurde darüber beraten. Während der Vorsitzende Merz "dem Volk aufs Maul schauen" will, wünscht sich sein Vize vor allem Aufbruchstimmung.
Wofür steht die CDU? Die Partei hat sich an diesem Wochenende Zeit genommen, um über diese Frage grundsätzlich zu reden. Aber der Weg zur Erneuerung ist lang, und er beginnt mit Selbstkritik. Carsten Linnemann, als stellvertretender Vorsitzender verantwortlich für das neue Grundsatzprogramm der Partei, gibt zu: Die CDU war nicht mehr gut genug, deshalb hat sie die Bundestagswahl verloren.
Selbst die Mitglieder wussten im Wahlkampf nicht, mit welchen eigenen Inhalten sie werben sollten, so lautet der Befund. Das soll das Grundsatzprogramm ändern. Wenn es nach CDU-Vize Linnemann geht, kann man die Mitglieder zukünftig nachts wecken und sie zählen sofort die drei wichtigsten Punkte auf. Doch ehe es soweit ist, liegt noch eine Menge Arbeit vor der Partei.
"Positiver Kapitalismus" und "German Dream"
Mit 500 Gästen hat die Partei nun über ihre künftigen Leitlinien geredet. Aus Sozial- und Jugendverbänden, Gewerkschaften und Industrie gab es Anregungen. Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), wirbt für die soziale Marktwirtschaft und für Vertrauen in große und mittelständische Unternehmen: "Positiver Kapitalismus trägt zum Wohlstand bei."
Darauf reagiert die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa: Sie will statt Wohlstand das "Wohlergehen" in den Mittelpunkt stellen, und zwar für alle - für Jung und Alt, für Männer und Frauen, für Reiche und Arme. Und für Menschen jeder Herkunft, ergänzt Ruben Giuliano, Vorsitzender der Initiative Jugendparlament: Die CDU müsse den Menschen zu spüren geben, dass sie alles erreichen können, egal, woher sie kommen. Er wünscht sich, dass es der Begriff "German Dream" ins Grundsatzprogramm schafft.
Abgrenzung von der AfD gefordert
Nicht nur gesellschaftliche Stimmen hat die CDU eingeladen, sondern auch einen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, Ralf Fücks. Die CDU müsse die politische Alternative zur jetzigen Regierung sein und das im Grundsatzprogramm klar machen, sagt Fücks. Für eine konservative Partei in diesen Zeiten sieht er als Herausforderung, "Sicherheit im Wandel" zu gewährleisten. Die Mehrheit der Gesellschaft dürfe die vielen Veränderungen nicht als Bedrohung empfinden und sich abschotten, die CDU müsse die Menschen stattdessen mitnehmen.
Da kann CDU-Chef Friedrich Merz nur nickend zustimmen. Der Grünen-Politiker Fücks wirbt dafür, sich inhaltlich abzugrenzen, aber nicht die Brücken zu seiner Partei abzubrechen - als möglicher zukünftiger Koalitionspartner im Bund. Dagegen müsse die CDU bei der AfD klar bleiben und dürfe auch deren Sprache nicht übernehmen. Es gibt Applaus im Saal, aber Merz wehrt sich gegen diesen Vorwurf: "Dem Volk aufs Maul zu schauen, ist Demokratie. Dem Volk nach dem Mund zu reden, ist Populismus."
Hinter den Kulissen beschäftigt die Partei das AfD-Umfragehoch. Wie kann die CDU mehr davon profitieren, dass es eine so große Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition gibt? Welcher Ton der CDU dabei nützt, darüber wird die Debatte genauso weitergehen wie über die inhaltlichen Kernpunkte.
Programm soll 2024 fertig sein
Zehn Fachkommissionen sammeln derzeit die Ideen der CDU für Wirtschaft, Klimaschutz, Migration oder Soziales. Über die Vorschläge sollen Kreis- und Stadtverbände in den kommenden Monaten beraten. Auch eine Mitgliederbefragung gab es, 66.000 der rund 380.000 CDU-Mitglieder haben sich daran beteiligt. Die allermeisten nannten "Freiheit" als wichtigstes Ziel. Das zeigt schon, es geht um eher allgemeine Leitlinien, die Basis für die CDU-Politik der nächsten zehn Jahre sein sollen. Nicht so ausformuliert wie ein Wahlprogramm, aber mit einigen konkreten Vorschlägen.
Linnemann nennt drei Beispiele, die zumindest er auch im Schlaf aufzählen könnte: ein verpflichtendes Dienstjahr für die Gesellschaft, eine grundsätzliche Jobpflicht für arbeitsfähige Bürgergeld-Empfänger und die Möglichkeit, auch nach dem Renteneintritt steuerfrei weiterarbeiten zu können.
Das fertige Grundsatzprogramm will die CDU auf dem Parteitag in einem Jahr beschließen. Für Linnemann ist das Wichtigste, damit Aufbruchstimmung zu verbreiten: Die CDU müsse mit Mut und Optimismus wieder Lust auf Zukunft machen.