Mario Voigt (r.), Katja Wolf und Georg Maier

Thüringen, Sachsen, Brandenburg Auf dem Weg zur Brombeere

Stand: 17.10.2024 18:56 Uhr

CDU, SPD und die Wagenknecht-Partei BSW sprechen in drei Ländern über neue Koalitionen. Dabei haben sie überall Fortschritte erzielt. Nun stehen erste Entscheidungen an.

In der Botanik ist die Brombeere eine low-hanging fruit, eine niedrig hängende und damit leicht zu pflückende Frucht. In der Politik steht die Brombeere für eine mögliche Koalition von CDU (schwarz), Bündnis Sahra Wagenknecht (lila) und SPD (rot). Die scheint deutlich schwerer zu greifen. Doch in Thüringen und Sachsen nähern sich die drei Parteien nun einander an. Auch in Brandenburg gibt es Fortschritte zwischen SPD und BSW.

Sachsen: "lösungsorientierte Zusammenarbeit" möglich

In Sachsen schlossen die Parteien am Mittwochabend Kennenlerngespräche ab. Es handelt sich um die Vorstufe von Sondierungen, die wiederum zu Koalitionsverhandlungen führen könnten. Man begegnete sich also mit einiger Vorsicht.

In einer gemeinsamen Mitteilung heißt es nun, das Trio habe wichtige landespolitische Themen "intensiv und konstruktiv" beraten. "Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede und weiterer Gesprächsbedarf" seien nun klar geworden. Bis Ende Freitag sollen die Landesvorstände über die Aufnahme von Sondierungen entscheiden.

Dafür haben die Chefverhandler und ein Redaktionsteam ein erstes Papier geschrieben. Eine "konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit" sei demnach möglich. Größere Einigkeit gibt es etwa bei der Migrations- und Bildungspolitik oder beim Bürokratieabbau.

Erste Probleme überwunden

Wohl auch, um endlich den nächsten Schritt Richtung einer Brombeer-Koalition nehmen zu können, wurden Finanzierungsfragen größtenteils ausgeklammert. Eine Lockerung der sächsischen Schuldenbremse zeichnet sich ab. Details sind auch in vielen anderen Punkten noch offen. 

Dies ist ein großer Schritt, da in der Vergangenheit das Vertrauen zwischen den Parteien erschüttert wurde. So ließ die CDU-Landtagsfraktion mehrfach SPD- und BSW-Kandidaten für das Amt des Landtagsvizepräsidenten durchfallen, während das BSW eigenmächtig einen Antrag für einen Corona-Untersuchungsausschuss einbrachte.

Nun scheint eine Vertrauensebene gefunden. Beirren ließen sich die Verhandler auch nicht von einem offenen Brief aus der CDU. Sechs altgediente Mitglieder forderten darin die Aufnahme von Gesprächen mit der AfD. Intern blitzten sie damit jedoch ab.

Thüringen: Sondierungen abgeschlossen

In Thüringen wollen CDU, SPD und BSW am Wochenende ebenfalls über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die Sondierungen wurden mit einem Papier abgeschlossen, das viele Schnittmengen aufzeigen soll. Schon während der Gespräche hatten die Parteien wiederholt Zwischenstände vermeldet.

Wie in Sachsen braucht es neben den offiziellen Gesprächen allerdings weitere Treffen, um das zarte Pflänzchen Hoffnung nicht gleich wieder auszureißen. Anlass dafür bot CDU-Landeschef Mario Voigt.

Gemeinsam mit Michael Kretschmer und Dietmar Woidke, den Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, hatte Voigt eine diplomatische Initiative für einen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert. Neu war das nicht, Sahra Wagenknecht frohlockte dennoch. Die Thüringer SPD sah sich überrumpelt.

Was geschieht mit der Linken?

Ein Problem für CDU, BSW und SPD bleiben die Mehrheitsverhältnisse im Erfurter Landtag. Zusammen kommen sie auf 44 von 88 Sitzen - für eine Mehrheit braucht es entweder noch eine weitere Stimme oder die Enthaltung der Linksfraktion.

Deren Partei pocht in diesen Tagen auf Gespräche mit den Koalitionären in spe. Eine Preisvorstellung für die Unterstützung gibt es auch: Die Brombeere dürfte keine Projekte der linksgeführten Vorgängerkoalition abräumen, so die Linke. Zu Vierer-Gesprächen kam es jedoch noch nicht.

Brandenburg: Schnell vorangekommen

In Brandenburg laufen die Gespräche derweil nur zwischen der SPD und dem BSW. Sie haben gemeinsam eine Mehrheit im Landtag. Die beiden Parteien nutzten die laufende Woche für gleich mehrere Gespräche. Diese werden von beiden Seiten bislang positiv bewertet. Obwohl die Landtagswahl drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen stattfand, scheint auch hier ein Sondierungspapier kurz vor Abschluss zu stehen.

Druck auf die Sondierer kommt vom Brandenburger Landkreistag. Dessen Vorstand drang am Mittwoch auf schnelle Ergebnisse. Brandenburg brauche eine verlässliche Koalition, die sich um Probleme kümmere. Eines davon wäre das Haushaltsdefizit der Kommunen, dass die Kreise allein für sich mit 192 Millionen Euro beziffern.

Entspannter zeigt sich da die BSW-Führung in Berlin. Am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag lobte Sahra Wagenknecht den Brandenburger BSW-Vorsitzenden Robert Crumbach. Dass in der Mark schon sondiert werde, sei auch sein Verdienst.

Wagenknecht und Merz mit Bedenken

Wagenknecht blickt vor allem kritisch auf die Lage in Thüringen und Sachsen. So sprach sie während der Pressekonferenz offen darüber, dass ihre junge Partei "wahrscheinlich unterschiedliche Entscheidungen fällen" werde. Wagenknecht stellte also ein Scheitern der Gespräche in mindestens einem Land in den Raum.

Für CDU und SPD sind die jetzigen Abstimmungen somit auch die Nagelprobe, wie frei die Landesverbände des BSW tatsächlich agieren. Von denen heißt es dazu, die Parteichefin habe kein "Vetorecht". Wagenknecht kündigte an, dass ihre Partei "gemeinsam" über den weiteren Fortgang entscheiden will. Details nannte sie nicht.

Derweil nimmt die Bundes-CDU zunehmend weniger Rücksicht auf die Gespräche in den Ländern. CDU-Chef Friedrich Merz saß am Sonntag im ARD-Talk Caren Miosga. "Frau Wagenknecht hat zu akzeptieren, dass es Entscheidungen gibt, die unumstößlich sind", sagte Merz dort. Deutschlands Westbindung und die Mitgliedschaft in der NATO seien nicht verhandelbar.

Merz ist bei der Brombeere bislang nicht auf den Geschmack gekommen. Im Bundestag drängte er in dieser Woche wieder auf die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine, wenn auch geknüpft an Bedingungen. Das BSW lehnt die Waffenlieferung kategorisch ab. Nun fragt sich, ob alle Parteien zwischen Landes- und Bundesebene unterscheiden können und wollen.