Wahl der Regierungschefs Wie Woidke und Voigt ins Amt kommen sollen
Gibt es in Brandenburg und Thüringen stabile Verhältnisse? Bei den Wahlen der Ministerpräsidenten werden die Koalitionen auf die Probe gestellt. Neu ist nicht nur die Beteiligung des BSW. Die Opposition mischt mit.
Die 4.000 Tage als Ministerpräsident hat Dietmar Woidke noch kurz vor der Landtagswahl vollgemacht. Seit 2013 regiert der Sozialdemokrat das Land Brandenburg. Bei der Wahl im September pushte er die SPD noch vor die AfD. Am Mittwoch nun stellt Woidke sich in Potsdam wieder der Wahl zum Ministerpräsidenten.
Doch im roten Brandenburg hat sich etwas geändert. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht sitzt eine neue Partei im Landtag. Wer regieren will, ist vorerst auf sie angewiesen. Das gilt auch für Thüringen, wo am Donnerstag ebenfalls ein Ministerpräsident gewählt werden soll. Was es für die politische Stabilität und Kultur bedeutet, muss sich noch zeigen. Die beiden Wahlen werden die Richtung vorgeben. Sicher sind sie keinesfalls.
Brandenburg: Woidkes Weg zu Wagenknecht
Dietmar Woidke hatte große Skepsis gegenüber Sahra Wagenknecht. Er bot zunächst der CDU Gespräche an. Die Konservativen verweigerten sich. Also ging Woidke auf das BSW zu.
Woidke traf sich mit Wagenknecht. Er sprach sich gemeinsam mit Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens CDU-Chef Mario Voigt für einen Waffenstillstand in der Ukraine aus. Er ließ zu, dass sich im Koalitionsvertrag Kritik an der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland findet - eine Entscheidung seines Parteifreundes, Bundeskanzler Olaf Scholz.
Der Brandenburger reibt sich schon länger an der Bundesregierung, etwa beim Kohleausstieg, den Bauernprotesten oder beim Bürgergeld. Scholz wurde von Woidke im Landtagswahlkampf ignoriert. Für die Entfremdung hat es das BSW nicht gebraucht.
Für Irritationen in Berlin sorgte Woidke vollends, als er seine grüne Gesundheitsministerin aus vorheriger Koalition mitten in einer laufenden Bundesratssitzung entließ. Ursula Nonnemacher hatte sich geweigert, gegen die Krankenhausreform der Ampel zu stimmen. Woidke wollte das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zwingen und machte kurzen Prozess. In der "Zeit" rief Nonnemacher ihm nach: "Dietmar Woidke ist nicht König von Brandenburg."
Kritiker beim BSW
Laut Sahra Wagenknecht war die Abstimmung im Bundesrat zwischen SPD und BSW abgesprochen. Weil die SPD aber durchsetzte, dass sich die Koalition zum Ausbau des Brandenburger Bundeswehrstandortes Holzdorf bekennt, kommt dennoch Kritik aus dem BSW. Der Abgeordnete Sven Hornauf kündigte an, nicht für Woidke stimmen zu wollen.
SPD und BSW haben zusammen 46 Stimmen. Woidke braucht im Landtag zunächst 45. Erst im dritten Wahlgang würde eine relative Mehrheit reichen. Hornauf, der sagt, er sei nicht der einzige Kritiker der Koalition, blieb einem Landesparteitag des BSW am vergangenen Freitag fern. Ohne ihn nahm der Landesverband den Koalitionsvertrag einstimmig an.
Sowohl Sahra Wagenknecht als auch der Landeschef und designierte Finanzminister, Robert Crumbach, halten das Votum für bindend für alle Abgeordneten. Doch Crumbach schränkte am Dienstag ein: "Bei freien und geheimen Wahlen wird niemand Garantien abgeben."
Die AfD-Fraktion hält sich offen, im zweiten oder dritten Wahlgang einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Woidke dürfte das dann eher helfen als Probleme bereiten. Die CDU kündigte an, in allen Wahlgängen mit Nein zu stimmen.
Thüringen: Voigt kurz vorm Ziel
Wie Dietmar Woidke ist Mario Voigt ein machtbewusster Mensch. Von Amt des Thüringer Ministerpräsidenten konnte der CDU-Politiker jahrelang nur träumen. Am Donnerstag soll es nun so weit sein. Die Wahl in Erfurt steht allerdings unter noch komplizierten Vorzeichen.
Das liegt an den Mehrheitsverhältnissen. Voigts CDU ist bei der Landtagswahl nur zweitstärkste Kraft hinter der AfD geworden. Die "Brombeer"-Koalition, die er anschließend mit BSW und SPD und mit Ach und Krach schmiedete, kommt im Landtag nur auf 44 von 88 Sitzen - genau so viele wie die Opposition.
Selbst wenn die Koalition geschlossen für Voigt stimmen sollte, würde das erst im dritten Wahlgang für ihn reichen. Auf dem Weg dahin gibt es mehrere Fallstricke.
AfD könnte sich profilieren
Da ist die Koalition selbst. Nicht alle in der CDU sind glücklich über das Zusammengehen mit der Wagenknecht-Partei. Das BSW erlebte in den Koalitionsverhandlungen seine erste schwere Parteikrise. Möglich also, dass der eine oder andere Koalitionsabgeordnete zunächst nicht für Voigt stimmt.
Der Blick geht zudem zur AfD. Bei der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten 2020 hatte sie zum Schein einen eigenen Kandidaten aufgestellt, nur um später doch für Kemmerich zu stimmen. Aus ähnlichen Überlegungen heraus könnte die AfD nun für Voigt stimmen. Der wäre dann ein Ministerpräsident "von AfD-Gnaden". Warnungen vor diesem Szenario kommen vor allem aus der SPD.
CDU und BSW wollen sich diesen Schuh allerdings nicht anziehen. "Das betrifft doch nicht die neue Regierung", sagte etwa Sahra Wagenknecht über mögliche AfD-Stimmen. Notfalls könnte Mario Voigt die Wahl auch nicht annehmen und bis zum dritten Wahlkampf erneut kandidieren.
Angebot an Linke
Einen Ausweg bietet die Linksfraktion. Für ihre Stimmen beziehungsweise Enthaltungen forderte die allerdings bislang eine Vereinbarung mit CDU, BSW und SPD. Eine im Koalitionsvertrag festgeschriebene frühzeitige Beteiligung aller Fraktionen an Gesetzesvorhaben der Regierung sowie die Absicht, "keine Zusammenarbeit mit der AfD" zu suchen, reichten der Linken nicht.
Doch die CDU sperrte sich bislang gegen eine Vereinbarung. Andreas Bühl, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, sagte noch am Montag: "Die Linke muss sich entscheiden, ob sie Verantwortung wahrnimmt oder ob sie sich weiter in parteitaktischen Spielchen verkämpft."
Am Dienstag nun erklärten Bühl und seine Kollegen von BSW und SPD, künftig die Linksfraktion gesondert einbeziehen zu wollen und sich einmal pro Monat mit dieser zusammenzusetzen. Der Haushalt für 2025 soll eng mit ihr abgestimmt werden, genauso wie weitere wichtige Vorhaben.
Diese Zusage steht unter einer Kondition: Am Donnerstag soll es zu einem "sicheren Wahl eines neuen Ministerpräsidenten" kommen. Dazu müsse auch die Linke "ihren Beitrag" leisten. Die reagierte aufgeschlossen: Die Parteien sollten weiter im Gespräch bleiben.