Söder im Wahlkampf Riese oder Scheinriese?
Beim Parteitag will sich die CSU auf den Wahlkampfendspurt einschwören und eine Trendumkehr einleiten. Dabei rückt das Thema Migration verstärkt in den Fokus. Es gilt, im Wettstreit mit Freie-Wähler-Chef Aiwanger zu bestehen.
Markus Söder ist überall gleichzeitig: im Norden Bayerns vor dem Festspielhaus in Bayreuth und im Süden auf dem Münchner Oktoberfest, im Westen auf dem Augsburger Rathausplatz und beim Wandern in Niederbayern im Osten. Ein gutes Dutzend Mal ist der bayerische Ministerpräsident auf dem neuen "Bayern-Wimmelbild" der CSU zu finden, das es wahlweise als Malbuch oder Puzzle gibt - und immer wird Söder dreieinhalb Mal so groß dargestellt wie die "Normalbürger".
Im bayerischen Landtagswahlkampf will die CSU Söder nun gewissermaßen als politischen Riesen in den Fokus rücken, um eine Trendumkehr zu erzwingen. "Am Ende kommt es auf den Ministerpräsidenten an", lobte Söder Anfang des Monats sein eigenes Krisenmanagement in der Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
Schlechtes Ergebnis in der Sonntagsfrage
"Auf den Ministerpräsidenten kommt es an", lautet jetzt entsprechend ein Slogan, den CSU-Generalsekretär Martin Huber für den Wahlkampfendspurt ausgibt. Bei ihrem heutigen Parteitag wollen die Christsozialen ihrem Vorsitzenden den Rücken stärken - auf dem Programm steht Söders Wiederwahl. Gut zwei Wochen bleiben noch, um zu verhindern, was laut Umfragen droht: das schlechteste CSU-Ergebnis seit Jahrzehnten.
Wochenlang hatte sich die CSU im Wahlkampf darauf konzentriert, die Berliner Ampel schlechtzureden und die eigene Politik im Freistaat zu rühmen ("In Bayern lebt es sich einfach besser") - und fuhr gut damit. Dann wirbelte die Debatte um Aiwanger die Landespolitik durcheinander.
Zwar bescheinigten im aktuellen BayernTrend 56 Prozent der Befragten Söder eine gute Arbeit, mit seinem Aiwanger-Krisenmanagement sind sogar 68 Prozent zufrieden. In der Sonntagsfrage aber ging es für die CSU runter auf 36 Prozent. Ein solches Resultat wäre noch einmal schlechter als das aus CSU-Sicht desaströse Wahlergebnis von 2018 von 37,2 Prozent.
Freie Wähler stehen gut da
Als die CSU ab 2008 mit der FDP regieren musste, hielt der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer den Koalitionspartner klein, 2013 flogen die Liberalen aus dem Parlament. Bei den Freien Wählern lief es anders: Sie haben im Gegensatz zur FDP eine starke kommunale Verankerung in Bayern und verfügen mit Aiwanger über ein Zugpferd.
Der Wirbel um die Antisemitismus-Vorwürfe hat seiner Partei eher genutzt als geschadet. So stehen die Freien Wähler nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung besser da denn je: Im BayernTrend überflügelten sie die Grünen als zweitstärkste Kraft und kamen auf 17 Prozent.
Konkurrent um konservative Wähler
Für die CSU sind die Freien Wähler um Aiwanger zugleich wesensnaher Partner und scharfer Konkurrent um konservative Wähler. So will Söder mit seinen mantraartigen Attacken auf die Grünen weniger die Grünen selbst treffen, sondern vor allem im Wettstreit mit den Freien Wählern nicht zu viele Federn lassen. Schwarz-Grün werde definitiv nicht kommen, betonte der CSU-Chef am Montag noch einmal. Und da dies klar sei, brauche es auch "keine Leihstimmen an andere, um das noch sicherer zu machen".
Aus Aiwangers Sicht wird Söder zunehmend zum Scheinriesen, der immer kleiner wird, je näher die Wahl rückt. Zwar folgte der Ministerpräsident mit der frühen Festlegung auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern dem Wunsch vieler an der CSU-Basis. Da er aber auch auf dem Höhepunkt der Flugblatt-Affäre das Bekenntnis zu Schwarz-Orange mehrfach bekräftigte, nahm er sich selbst die Möglichkeit, Aiwanger durch andere Bündnisoptionen unter Druck zu setzen.
Flüchtlingspolitik dominiert im Schlussspurt
Die CSU tröstet sich damit, dass Umfragen Momentaufnahmen sind. 2018 stand die Partei im ARD BayernTrend unmittelbar vor der Wahl bei nur 33 Prozent, letztlich wurden es dann doch ein paar Prozentpunkte mehr.
Anders als vor fünf Jahren wollte Söder das Thema Migration dieses Mal lange aus dem Wahlkampf heraushalten. Schließlich hatte er sich damit 2018 die Finger verbrannt, als ihm vorgeworfen wurde, mit AfD-naher Rhetorik am rechten Rand zu fischen. Damals steuerte er drei Monate vor der Wahl um und erfand sich neu.
Dieses Mal wird die Flüchtlingspolitik erst im Schlussspurt ein dominierendes Wahlkampfthema, das Söder nicht ignorieren kann. Mit seiner Forderung nach einer "grundlegenden Wende" in der deutschen Asylpolitik versucht der CSU-Chef, in die Offensive zu kommen - muss aber angesichts seines Versprechens, die Fehler von 2018 nicht zu wiederholen, jedes Wort sorgfältig abwägen.
Aiwanger wiederum, dem Kritiker immer wieder eine populistische Wortwahl vorwerfen, nimmt die CSU öffentlich in Mithaftung für die "verfehlte" Zuwanderungspolitik der vergangenen Jahre.
Keine Bemühungen um "grünere CSU" mehr
Beim CSU-Parteitag in München dürfte die Migrationsthematik nun jedenfalls eine zentrale Rolle spielen. Im Mittelpunkt stehen der Auftritt und die Wiederwahl Söders, zudem hält CDU-Chef Friedrich Merz eine Rede.
Dass die Bemühungen um eine "grünere CSU" längst ad acta gelegt sind und im Wahlkampfendspurt vor allem die konservative Klientel angesprochen werden soll, verdeutlicht auch CSU-Generalsekretär Huber mit seiner Wortwahl. "Keine Partei hat so viel PS unter der Haube und keine Partei bringt auch so viel PS auf die Straße", sagte er am Montag. Deswegen werde die Partei jetzt "noch mal ordentlich Gas geben".