FDP in der Krise Das Prinzip Augen zu und durch
Strategiepapier in Kriegsrhetorik, verlorene Landtagswahlen und die Herausforderung, die Stimmung in der Bevölkerung zu drehen: Vieles steht bei der FDP auf dem Spiel - nur nicht die Personalie Lindner.
Sonntagabend kurz vor 18 Uhr. Die Entscheidung ist nur wenige Stunden alt, dass Marco Buschmann neuer Generalsekretär der FDP werden soll. Buschmann erscheint zu seinem ersten TV-Interview im ARD-Hauptstadtstudio.
Als er zufällig einem ehemaligen Kabinettskollegen begegnet, begrüßt dieser ihn mit den Worten: "Soll ich Dir jetzt dazu gratulieren, oder was sagt man da?" Buschmann senkt seinen Kopf, ringt sich ein Lächeln ab. Eine klare Antwort gibt er nicht. Ihm scheint bewusst, wie groß die Aufgaben für ihn als neuer Generalsekretär in diesen Tagen ist.
Retten, was zu retten ist
Dass der Parteivorsitzende Christian Lindner den mit ihm als Justizminister zurückgetretenen Buschmann als Nachfolger von Bijan Djir-Sarai nominiert, hat in Berlin kaum überrascht. Seit Tagen ist immer wieder vor allem sein Name gefallen. Buschmann und Lindner gelten als Weggefährten schon aus früheren Zeiten - damals noch in Nordrhein-Westfalen.
Buschmann war bereits für den Landesverband Generalsekretär und danach Bundesgeschäftsführer. Es war die Zeit, als die FDP schon einmal in einer tiefen Krise steckte und der Wiedereinzug 2013 in den Bundestag misslang.
"Maschinist, Navigator und Kummerkasten"
Es wird Buschmann zugeschrieben, mit dazu beigetragen zu haben, dass die Partei wieder in den Bundestag gewählt wurde. Buschmann wurde dann parlamentarischer Geschäftsführer. Er selbst beschrieb sich in einem Zeitungsinterview als "Maschinist, Navigator und Kummerkasten der Abgeordneten".
Vielleicht ist letztere Eigenschaft nun besonders gefragt. Noch nie stand es so schlecht um die Liberalen, auch in den Bundesländern: Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen - alles Landtage ohne FDP. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern war die Zustimmung bei der Bundestagswahl 2021 aber noch erstaunlich hoch.
Keine Kurskorrektur in Sicht
Doch Buschmann schlägt keine neuen Töne an, lässt jede Kritik an seinem Parteivorsitzenden an sich abperlen. In der ARD sagt er, die FDP sei so, wie sie die Krise managt, eine Partei von Anstand und Integrität. Das geleakte "D-Day"-Papier: Man habe es nicht gekannt. Das Aus der Ampel: weiterhin richtig. Der Fokus für die Wahlen: solide Staatsfinanzen und Wirtschaft.
Nicht viel Neues, was mit jemanden wie Buschmann allerdings auch nicht zu erwarten ist, der seit Jahren eng an Lindners Seite steht, seine Politik stets mitgetragen hat. Einige in der FDP hätten sich gerade jetzt aber eine deutlichere Kurskorrektur gewünscht.
Wie groß der Unmut in der Partei ist, zeigt sich am Tag danach. Der frühere FDP-Schatzmeister Harald Christ gibt via X bekannt, dass er die Partei verlassen werde. Dem Handelsblatt sagt Christ: "Ich bedaure sehr, dass die FDP sich in eine so existenzielle Krise manövriert hat." Eine Initiative der FDP-Basis, die sich "Weckruf" nennt, bezeichnet Buschmanns Nominierung gegenüber dem Spiegel als "ernüchternd".
Christian Lindner führt FDP in den Wahlkampf
Dennoch lässt die FDP-Spitze keine Zweifel daran, dass sie auch personell keinen Neustart hinlegen wird. In der regelmäßigen Pressekonferenz der Liberalen am Montagvormittag sagt Lindner nur so viel: "Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, ohne Marco Buschmann ein Comeback der FDP am 23. Februar zu erreichen." Jetzt sei wieder alles möglich.
Doch es kommt ein klares Nein, als er nach seinem Rücktritt gefragt wird. Man könne jetzt noch nur gemeinsam nach vorn blicken, heißt es aus der FDP. Das Rekapitulieren wird verschoben. Die Wahlkampagne der FDP ist noch nicht offiziell vorgestellt. Ein wichtiges Motto scheint jedoch zu sein: Augen zu und durch.