Pläne der Bundesregierung FDP will Nachbesserungen bei der Rente
Erst vor wenigen Wochen haben die Bundesminister Heil und Lindner gemeinsam Pläne für eine Rentenreform vorgelegt. Doch nun kommt Kritik aus der Partei des Finanzministers. Droht damit ein neuer Ampel-Streit?
Schon bei der Vorstellung des Rentenpakets konnte man durchaus Unterschiede heraushören. Da war auf der einen Seite ein hoch zufriedener Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Er hatte für die SPD durchgesetzt, dass das Rentenniveau dauerhaft stabilisiert wird. Konkret geschieht das, indem die sogenannte "Haltelinie" von 48 Prozent, unter die die Rente eines durchschnittlichen Arbeitnehmers nicht fallen soll, bis 2039 verlängert wird.
Auf der anderen Seite stand Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der mit Stolz den Einstieg in die Aktienrente verkündete, wenn auch nicht in der von seiner Partei ursprünglich geplanten Version. Nun werden jährlich zwölf oder mehr Milliarden Euro an Schulden aufgenommen und dann am Kapitalmarkt angelegt. Die Erträge daraus sollen dann ab der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre einen Beitrag zur Finanzierung der gesetzlichen Rente leisten. Trotzdem steigen Beitragssätze und Staatszuschüsse deutlich. Weshalb Lindner anfügte, für die langfristige Sicherung der Rente müsse man schon noch mehr tun. "Aber es ist ein guter, wenn ich so sagen darf, sozial-liberaler Kompromiss, den wir hier gefunden haben."
Deutliche Kritik von Ökonomen an Rentenplänen
Bei Wirtschaftsverbänden und Ökonomen kam der Kompromiss aber überhaupt nicht gut an. Die Politik agiere kurzfristig und drücke sich in der Rentenpolitik vor unbequemen Wahrheiten, beklagte beispielsweise Ifo-Volkswirt Timo Wollmershäuser bei der Vorstellung des Gemeinschaftsgutachtens in Berlin. Es würden Versprechungen gemacht, von denen klar sei, dass sie nicht eingehalten werden können. Und es würden Politikmaßnahmen als großer Wurf verkauft, von denen auch klar sei, dass sie das Problem wirklich nur ganz oberflächlich angehen.
Ein Seitenhieb sowohl auf das FDP-Projekt Aktienrente als auch auf die dauerhafte Sicherung des Rentenniveaus, die sich die SPD auf die Fahnen geschrieben hat. Die meisten Wissenschaftler, die sich mit dem Thema Rente beschäftigen, sähen angesichts der Alterung der Gesellschaft nur die Lösung, dass die Lebensarbeitszeit verlängert würde, so Wollmershäuser. Das traue sich die Politik aber aus wahltaktischen Gründen nicht zu sagen.
Doch auch führende FDP-Politiker sind mit dem Rentenkompromiss unzufrieden und fordern Nachbesserungen. Das Erste sei, so Fraktionsvize Christoph Meyer, "das politische Eingeständnis zur Notwendigkeit von schmerzlichen Entscheidungen, was bei der Rente noch finanzierbar ist und was nicht". An diesem Punkt seien die Koalitionspartner SPD und Grüne noch nicht angekommen, schrieb Meyer in einem Gastbeitrag für die "Welt".
FDP pocht nun auf "generationengerechte" Rentenreform
Deutliche Kritik an den bisherigen Rentenplänen äußerte auch die FDP-Finanzpolitikerin Claudia Raffelhüschen: Ein konstantes Rentenniveau, wie es im Regierungsentwurf angestrebt werde, bedeute, "dass die demografischen Lasten ausschließlich von den Jungen und den zukünftigen Generationen getragen werden", sagte sie im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Raffelhüschen verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem von einer "generationengerechten Lösung" die Rede sei. "Generationengerecht bedeutet für mich, dass über alle Generationen der gleiche Beitrag gilt." Der aktuelle Entwurf der Regierung sieht dagegen vor, dass der Rentenbeitrag von heute 18,6 Prozent bis auf 22,3 Prozent innerhalb von zehn Jahren steigt.
An den Koalitionsvertrag erinnerte auch FDP-Vize Johannes Vogel. Die innerhalb der Koalition vereinbarte "Haltelinie" von 48 Prozent will er zwar nicht in Frage stellen. Doch die Sicherung des Rentenniveaus müsse eben "generationengerecht" erfolgen. Und das sei, so Vogel gegenüber der ARD, "in diesem Paket noch nicht genug drin." Um die geplante Rentenreform ausgewogener zu gestalten, müsse das Paket ergänzt werden. Vogel schlägt eine Ausweitung der Aktienrente vor sowie zusätzliche Anreize für freiwillige Mehrarbeit im Alter. Er könnte sich aber auch Abstriche an der vorgezogenen Rente mit 63 vorstellen - im Unterschied zu den Koalitionspartnern SPD und Grünen.
Zugleich betonte der FDP-Politiker, der auch Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion im Bundestag ist, dass sein Vorstoß kein Affront gegen die Ampel sei: "Es gibt jetzt einen Aufschlag von zwei Ministern, den ich auch nicht in Frage stelle. Ich stelle aber in Frage, ob das Paket groß genug ist, ob es mutig genug ist." Darüber könne man nun in den weiteren politischen Diskussionen in Berlin reden, zunächst innerhalb der Bundesregierung, dann im Parlament.
Steht der nächste Ampel-Streit bevor?
Doch das birgt Streitpotenzial. Die Wortmeldung von Vogel, der sich zunächst in einem Interview mit der FAZ geäußert hatte, wurde von SPD-Seite inzwischen deutlich zurückgewiesen. Die aktuellen Rentenpläne seien generationengerecht, sagte Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, der Rheinischen Post: "Denn damit wissen junge Menschen, dass sie sich auch später auf die Rente verlassen können." SPD-Fraktionsvize Achim Post warnte, das Rentenpaket dürfe "jetzt nicht verwässert" werden.
Zuvor hatte sich bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geäußert. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Kosten des Sozialstaats im Zusammenhang mit dem Haushalt sagte er, ohne die FDP explizit zu nennen: "Für mich ist eins ganz klar, übrigens eine Vereinbarungsgrundlage der Koalition, dass wir im Bereich des Sozialstaats keine Verschlechterung vorsehen werden." Und mit dieser Aussage bezog sich Scholz ausdrücklich auch auf das von Heil und Lindner vorgelegte Rentenpaket.