Flüchtlingsgipfel und AfD Asylstreit ohne Schreckgespenst
Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern wird vor einer Kraft gewarnt, die bislang in der Debatte kaum eine Rolle gespielt hat: die AfD. Woran liegt das?
Lange war es gut gegangen. Seit Wochen und Monaten ringen Bund, Länder und Kommunen um die Migrationspolitik. Bislang kam man dabei weitestgehend ohne das Schreckgespenst AfD aus. Vor dem Gipfel von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten am Mittwoch ändert die Ampel das nun.
"Am Ende ist es dann die AfD, die das zusammenrechnet", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Er drängt, wohl mit Blick auf die Länder, auf eine schnelle Einigung, genauso wie FDP-Finanzminister Christian Lindner. Der sagte: "Die Untätigkeit lässt die Menschen an Alternativen denken, die in Wahrheit keine sind."
Hintergrund dieser Aussagen sind diverse Umfragen, die die AfD auf einem Fünf-Jahres-Hoch sehen. Bei 16 Prozent steht die in Teilen extrem rechte Partei im aktuellen ARD-Deutschlandtrend - gleichauf mit den Grünen, nur einen Prozentpunkt hinter der SPD.
Forderungen weiter aktuell
Seit September vergangenen Jahres, seit über einem halben Jahr also, warnt der Landkreistag vor einer Überlastung von Infrastruktur wie Schulen und Kitas. Die Kommunalvertreter fordern mehr Geld, mehr Immobilien vom Bund und eine restriktivere Steuerung von Migration innerhalb der EU.
Bei den Bürgermeisterinnen und Landräten laufen die Probleme auf. Die Unterbringungskosten für ihre Kommunen steigen, weil kaum noch neue Bestandsunterkünfte, Hotels oder Mietwohnungen zu finden sind. Temporäre Lösungen wie Container sind noch teuerer. Und jeder Container-Bau bringt eine neue Standortdiskussion mit sich. Quer durch Deutschland bedeutet das: hitzige Bürgerversammlungen, vielfach auch Proteste, mitunter Angriffe durch Gruppen wie den rechtsextremen "Freien Sachsen".
Fast folgerichtig ähnelten sich die Schlussfolgerungen und Kritik von Entscheidungsträgern vor Ort, egal welches Parteibuch sie besitzen. Egal ob schwarz, grün, rot oder gar keins. Ähnlich sieht es auf Länderebene aus. Auch hier unterscheiden sich die Forderungen an den Bund nur in Details. Und auch hier sind die Positionen in den vergangenen Monaten weitestgehend fest gewesen.
Wenig wirklich neue Vorschläge
Eine 50:50-Regelung bei den Unterbringungskosten, so wie sie die Länder nun dem Bund vorschlagen, stand länger im Raum. Dass die vom Bund seit Oktober in Aussicht gestellten Immobilien vielerorts nicht zur Verfügung stehen, weiß Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spätestens seit dem Gipfel im Februar.
Die vor Mittwoch aufflammende Diskussion, Grenzkontrollen auch auf die Grenzen gegenüber Polen oder Tschechien auszuweiten, ist ebenfalls keineswegs neu. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sprach bereits im Herbst 2022 davon.
Ein Gangart-Verschärfung zeigte dann noch Schusters Chef. Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach sich im April für einen Stopp aller Aufnahmeprogramme des Bundes aus. Über solche Programme gelangen etwa ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland. Bislang hatten einzelne Länder, darunter auch Sachsen, nur mehr Mitsprache bei neuen Programmen gefordert. Nebst schnelleren Rückführungen.
Migration bislang nicht bestimmendes Thema
An Fahrt gewonnen hat in den vergangenen Tagen die Diskussion um die Einstufung weiterer Staaten als "sichere Herkunftsstaaten". Die führen Ampel-Parteien und Länder aber gleichermaßen.
Bis zur letzten Woche kam man dabei weitestgehend ohne Verweis auf die AfD bzw. deren Zulauf aus. Letzterer lässt sich nur bedingt auf die Asyldebatte zurückführen.
Im ARD-Deutschlandtrend sieht ein großer Teil der Bevölkerung (52 Prozent) die Migrationspolitik kritisch und will weniger Asylbewerber aufnehmen. Diese Gruppe ist zuletzt gewachsen. Zur selben Zeit liegen die Werte aber auf dem Niveau von 2016, dem Jahr der bislang größten Fluchtbewegung nach Deutschland.
Und auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa, sieht andere Gründe für die Stärke der AfD in den Umfragen. "Im Augenblick kommt die Mobilisierung über die Energie-Krise und die Frage, wie die Menschen das bezahlen können", sagte er. Güllner verwies auf Inflation und Heizungsdebatte.
AfD-Plan noch schärfer
Unstrittig ist vor dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch, dass alle Seiten stärker auf europäische Lösungen setzen. Die muss der Bund organisieren. Ebenso unstrittig scheint, dass sich die deutsche Asylpolitik verschärfen wird, dass Verfahren kürzer und Zugänge erschwert werden. Wie weit man dabei geht, das steht noch aus. Und auch ob der Bund am Mittwoch nicht doch noch gegenüber den Rufen der Länder und Kommunen nach mehr Geld einknickt.
Die AfD hat derweil Ende April einen Elf-Punkte-Plan in den Bundestag eingebracht. Der enthält weitestgehend bekannte Forderungen: Kontrollen an Deutschlands Grenzen, Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber, Abschiebehaft für ausreisepflichtige Menschen.
Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla will zudem sogar Afghanistan als sicheren Herkunftsstaat einstufen. Das sagte er dem MDR. Dort betonte Chrupalla, was in diesen Tagen fast jeder AfD-Politiker betont: dass dieselbe CDU, die nun Verschärfungen fordere, jahrelang die Migrationspolitik mitzuverantworten habe. Zumindest die AfD sieht sich als Treiber der Debatte.
Mit Material von Reuters