Kritik an Genderverbot in Bayern "Solche Verbote gleichen einer Rolle rückwärts"
Seit Montag gilt in Bayern das Verbot der Gendersprache in Schreiben von Behörden, Schulen und Hochschulen. Lehrerinnen und Lehrer kritisieren das scharf. Universitäten verweisen auf die Forschungsfreiheit.
Eigentlich wollten sie vor die Kamera. Ein Statement setzen. Damit Sprache "frei bleibt", wie sie sagen. Doch wenige Minuten vor dem Interview ein Anruf von der Gewerkschaft: Lieber nicht mit Klarnamen die eigene Meinung sagen. Es könnten dienstrechtliche Konsequenzen drohen.
Die beiden Lehrkräfte, die an einer staatlichen bayerischen Schule unterrichten, trauen sich nur noch anonym zu sagen, was sie denken: Dass ein Genderverbot in Schulaufgaben und Elternbriefen "diskriminierend" sei gegenüber queeren Menschen. Sie würden auf dem Papier und aus der Realität "einfach wegradiert".
Auch andere Bundesländer verbieten das Gendern
Seit Anfang April dürfen Behörden, Schulen und Hochschulen in Bayern keine Gender-Sonderzeichen mehr in offiziellen Schreiben verwenden. Also zum Beispiel in Schulaufgaben, Elternbriefen oder amtlichen Mitteilungen. Dort sind Sternchen, Doppelpunkt oder Binnen-I von nun an verboten. Weiterhin erlaubt sind die männliche und weibliche Form, also beispielsweise Schülerinnen und Schüler.
Bayern ist nicht das erste Bundesland, das Sprache zum Politikum macht. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gelten Genderzeichen in der Schule als Rechtschreibfehler. Auch die hessische Landesregierung hat Gendersprache in der Verwaltung verboten.
"Euch gibt es jetzt nicht mehr auf dem Papier"
Ein Gender-Verbot in Schulen, sagen die beiden Lehrkräfte, die sich nur anonym äußern wollen, ändere nichts an der Tatsache, dass es non-binäre Menschen gibt - "und schon immer gab und geben wird, überall auf der Welt".
Dass es diese Menschen nun auf dem Papier nicht mehr geben dürfe, sei "realitätsfremd". Denn statistisch gesehen gebe es in jeder ihrer Klassen queere Menschen. "Und wie kann ich mich nach den Ferien in den Unterricht stellen und meinen Schüler:innen ins Gesicht sagen: Es tut mir leid, ihr seid jetzt verboten, weil ihr uns zu kompliziert seid."
Lehrerinnen- und Lehrerverband: "Rolle rückwärts"
Es sei eine Einschränkung, die die gesellschaftliche Entwicklung hin zur Diversität nicht aufhalten werde, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV). Solche Verbote glichen einer "Rolle rückwärts".
Auch würden sie den Lehrerberuf, bei dem es ohnehin Nachwuchsmangel gebe, nicht attraktiver machen. "In einer Kommune, in irgendeinem Schreiben, meinetwegen. Aber doch bitte nicht mit den Kindern und den Jugendlichen, die die Gesellschaft von morgen tragen sollen. Haben wir eigentlich keine anderen Probleme?"
Verstöße werden im Einzelfall geprüft
Doch wie soll das Verbot künftig kontrolliert werden? Das Kultusministerium teilt auf Anfrage mit: Für Meinungsäußerungen im außerdienstlichen Bereich gebe es grundsätzlich einen weiten Spielraum. Und einen Einfluss auf Noten soll die Verwendung von Sonderzeichen nicht haben. Welche Konsequenzen Lehrkräften drohen, sollten sie gegen das Verbot verstoßen, werde im Einzelfall geprüft.
Überhaupt kann die bayerische Regierung nur den staatlichen Apparat regulieren. Also beispielsweise Lehrkräften oder der Universitätsverwaltung vorgeben, wie sie Briefe zu schreiben haben. Wissenschaftlerinnen und Studenten können in ihren Bachelorarbeiten oder Dissertationen Sonderzeichen verwenden, wie sie wollen. Hier gilt die Forschungsfreiheit.
An Unis darf weiter gegendert werden
Die Universität Passau zum Beispiel vertrete hier "selbstverständlich eine liberale und weltoffene Position", sagt Vizepräsidentin Christina Hansen. Das heißt: In wissenschaftlichen Arbeiten darf weiter gegendert werden - im Rahmen der Freiheit von Forschung und Lehre.
Dies sei "die DNA" jeder wissenschaftlichen Einrichtung. "Ich glaube, das zeichnet auch europäische Universitäten stark aus", so Hansen.
Sprachveränderungen brauchen "Gewöhnungsphase"
Mit ihrem Beschluss Mitte März hatte sich die bayerische Staatsregierung auf die Empfehlung des Rats für deutsche Rechtschreibung berufen - nämlich, dass Gendern die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen könne.
"Je älter wir sind, desto schwieriger ist es, sich an neue Formulierungen zu gewöhnen", sagen die beiden bayerischen Lehrkräfte. Eine sprachliche Gewöhnungsphase habe es schließlich auch bei Einführung der weiblichen Form gegeben. Heute sei sie selbstverständlich.