Parteitag der Grünen Lösungen für eine "gewendete Zeit"
Die Haushaltskrise überschattet den Start des Bundesparteitages der Grünen. Zum Auftakt gibt es lobende Worte für die eigenen Leistungen. Mit der Migrationspolitik steht das größte Streitthema aber auch erst am Samstag auf der Agenda.
Gleich zum Auftakt ihres Bundesparteitages in Karlsruhe haben die innenpolitischen Ereignisse die Grünen eingeholt. Eigentlich sollte am ersten Tag der Krieg in Nahost das zentrale Thema sein beim Treffen der mehr als 800 Delegierten. Doch dann kam die Entscheidung aus dem Bundesfinanzministerium: Die Schuldenbremse soll für das laufende Jahr nun doch ausgesetzt werden.
Und so wurde die Tagesagenda noch einmal umgeschrieben und der Bundeshaushalt auch zum Kernpunkt in der Messe Karlsruhe- und am Rednerpult. Wie bereits in den vergangenen Tagen warnte der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, dass Deutschland sich nicht "kaputtsparen" dürfe. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellte sich zwar hinter die Schuldenbremse, drängte jedoch vehement auf eine Reform dieses "starren" Grundsatzes - angepasst an die jetzige Zeit, eine "gewendete Zeit", wie der Vizekanzler es ausdrückte.
"Viel erreicht unter schwierigsten Umständen"
Eine "gewendete Zeit" - darunter fallen für die Grünen die großen Herausforderungen: die Energiewende, der Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Energiekrise, die schwächelnde Wirtschaft. Und als Teil der regierenden Ampelkoalition erlebten die Grünen derzeit "Angriffe von allen Seiten", so Nouripour. Doch diese Angriffe zeigen in den Augen des Parteichefs auch, dass die Grünen sich als Teil der Bundesregierung bewiesen hätten. Es sei "sehr, sehr viel erreicht worden in schwierigsten Umständen". Als Beispiele führte Nouripour die mittlerweile "unumkehrbare" Energiewende an, aber auch die Abschaffung des Paragrafen 219a über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche oder die Absenkung des Wahlalters bei der Europawahl auf 16 Jahre.
Und auch Habeck rückt die eigenen Grünen in das Licht einer starken Partei, die bereit sei, Verantwortung zu übernehmen und sich den aktuellen Herausforderungen entschlossen zu stellen. In den 43 Jahren seit ihrer Gründung sei die Partei zu einer "tragenden Säule der demokratischen Kultur dieses Landes" geworden, die "in Zeiten der Unsicherheit Halt und in Zeiten des Wandels Vertrauen" schaffe, so Habeck.
Scharfe Spitzen gegen CDU
Mit Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krisen verspricht Nouripour: "Wir werden Lösungen finden." Er meint damit weit mehr als das Hadern mit dem Milliardenloch im Bundeshaushalt. Denn in den insgesamt vier Tagen des Bundesparteitages stehen auch Themen wie die Migrations- und Asylpolitik auf dem Programm. Schon lange warnen Länder und Kommunen angesichts einer drohenden oder längst eingetretenen Überlastung wegen der hohen Zahl an Asylsuchenden, und auch die Opposition drängt massiv auf striktere Regelungen, um die Zuwanderung nach Deutschland stärker zu begrenzen.
Doch die heute auf der Oppositionsbank sitzende CDU habe als Teil der Großen Koalition die nun akuten Probleme mit verursacht, kritisierte Nouripour und warf den Christdemokraten sogar vor: "Leute, ihr seid nicht einmal oppositionsfähig." Denn er könne nicht nachvollziehen, so der Grünen-Vorsitzende, "dass eine Opposition mehr die Niederlage der Regierung will als den Erfolg des Landes".
Auch Habeck hat klare Spitzen in Richtung CDU parat. Denn diese sei unter der Führung von Friedrich Merz zu einer "Partei von gestern, angeführt von einem Vorsitzenden von vorgestern" geworden.
Habeck fordert Kompromissbereitschaft bei Asylpolitik
Doch die Asylpolitik sorgt auch in den eigenen Reihen für Reibereien bei den Grünen. Wie weit soll man sich der Linie der Ampelkoalition anpassen? Wie weit entfernt sich die Partei damit von ihren eigenen Grundsätzen?
Habeck mahnt in dieser Hinsicht Kompromissbereitschaft an. "Man kann das Schließen der Lücken bei Abschiebungen richtig oder falsch finden", sagte er. Doch es sei wichtig, zu Kompromissen bereit zu sein, "um die Akzeptanz für das Asylsystem insgesamt zu schützen und zu verteidigen". Das Asylrecht sei "Kern und DNA des Schutzversprechens" dieses Landes. "Diese Errungenschaften müssen wir verteidigen", forderte Habeck.
Wahl von Parteivorstand und Kandidaten für Europawahl
Die eigentliche Debatte zur Migrationspolitik steht wegen des geänderten Zeitplans aber erst am Samstag an. Vorher wollen die Grünen ihren Parteivorstand neu wählen - oder bestätigen, denn die amtierende Doppelspitze aus Nouripour und Ricarda Lang stellt sich zur Wiederwahl. Auch die Kandidaten für die im kommenden Jahr anstehende Europawahl sollen festgelegt werden. Für Platz eins der Liste kandidiert Terry Reintke, die bereits seit 2014 Europaabgeordnete ist.