Heizungsgesetz der Koalition Kalt erwischt
Auf der Zielgeraden ausgebremst: Der vorläufige Stopp des Heizungsgesetzes hat so manchen Ampelpolitiker kalt erwischt. Dabei ist die Stimmung in der Koalition schon schlecht genug.
Thomas Heilmann wirkt zufrieden, aber nicht euphorisch, als er am Morgen danach den großen Saal im Gebäude der Bundespressekonferenz betritt. Dabei hätte er aus seiner Sicht wahrscheinlich allen Grund dazu. Dem CDU-Abgeordneten ist es gelungen, der Regierungskoalition einen gehörigen Strich durch die Rechnung zu machen. "Die Ampel muss nachsitzen", sagt der ehemalige Berliner Justizsenator und Jurist Heilmann.
Kalt erwischt auf dem Sommerfest
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Hauptstadt am Mittwochabend erreicht, als an vielen Orten gerade gefeiert wurde, wenn vielleicht auch weniger ausgelassen als in den Jahren zuvor. Die Sommerfeste der Parteien und Ministerien in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause haben Tradition. Mitten in diese Feststimmung platzte die Nachricht aus Karlsruhe. Und erwischte den einen oder anderen Politiker der Ampelkoalition kalt.
Die SPD fiel auf ihrem Sommerfest in eine kurze Schockstarre. Monatelanges Gezerre um das Heizungsgesetz liegt hinter den Abgeordneten der Ampel-Parteien. Und einigen von ihnen sieht man die langen Nachtsitzungen auch an. Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere führende Genossen zogen sich zur Beratung zurück. Sie dürften ahnen, dass die Verschiebung der Abstimmung vor allem die Debatte weiter in die Länge zieht.
Erste Schuldzuweisungen
Klar ist, dass die Diskussionen um das Heizungsgesetz in die Verlängerung gehen. Kaum haben die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP damit begonnen, darüber nachzudenken, wie es mit dem Verfahren nun weitergeht, beginnen die Schuldzuweisungen. An eine gemeinsame Sprachregelung halten sich die Ampel-Abgeordneten schon lange nicht mehr. Von Gemeinsamkeit, einem gemeinsamen Projekt, ist dieser Tage wenig bis gar nichts zu spüren.
So war der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler erwartungsgemäß einer der ersten, der vorpreschte und via Twitter Schuldzuweisungen in Richtung Grüne sendete. "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Es war falsch, den Grünen hier auf den Leim zu gehen", so Schäffler. Ein weiterer Nadelstich, der sitzt. Auch Wolfgang Kubicki ließ sich nicht lange bitten. Der FDP-Vize brandmarkte das Karlsruher Urteil als "Quittung für die Grünen".
Während die FDP stichelt, übt sich die SPD in Gelassenheit. Demonstrativ unaufgeregt geben sich auch die Spitzen der Grünen. Die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann betont, dass Deutschlands höchstes Gericht lediglich das Verfahren bemängelt habe und nicht den Inhalt.
Die Spitzen der Ampel-Fraktionen müssen nun umplanen.
Beste Stimmung in der Union
Die Stimmung bei der größten Oppositionspartei ist hingegen bestens. Die Unionsfraktion hatte sich Heilmanns Klage zwar nicht angeschlossen, reklamiert den Erfolg in Karlsruhe nun aber gern und wortgewaltig für sich. CDU-Chef Friedrich Merz spricht von einer "schweren Niederlage für die Bundesregierung von Olaf Scholz". Der ganze Vorgang ist aus seiner Sicht eine einzige Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament.
Merz versucht, die derzeitige Schwäche der Ampel für sich zu nutzen und seine Partei als Alternative in Stellung zu bringen. Schon vor dem Karlsruher Urteil haben prominente Parteivertreter wie Jens Spahn angekündigt, im Falle einer erfolgreichen nächsten Bundestagswahl das Heizungsgesetz rückgängig machen zu wollen.
Harte Auseinandersetzungen in der Koalition
Die Geschichte des Heizungsgesetzes ist eine voller handwerklicher und kommunikativer Fehler. Erst ein durchgestochener, nicht abgestimmter Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium, dann eine quälende und aufgeregte Diskussion um Heizungsverbote und fehlende Wärmeplanung in den Kommunen - das Gebäudeenergiegesetz (GEG), so der offizielle Titel, führte in den vergangenen Monaten zu viel Verunsicherung, auch bei den Parlamentariern. Sie wurden überschüttet mit Briefen und Emails von Bürgern und konnten ihnen zuletzt auch kaum fundierte Antworten geben.
Immer wieder wurde der Entwurf geändert, um jedes Detail wurde gerungen und bereits gefundene Kompromisse wieder aufgeschnürt. Die harten Auseinandersetzungen rund ums Heizungsgesetz haben bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen. Es braucht durchaus Fantasie, um sich vorzustellen, dass die anstehende Sommerpause ausreichen könnte, um die Gräben in der Koalition zu kitten und zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückzufinden.
Und Thomas Heilmann? Der bleibt, anders als zahlreiche CDU-Vertreter, bei seinem sachlichen Ton. Er hätte der Ampel eigentlich einen Gefallen getan, sagt er ganz ohne Häme.