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Überblick

Milliardenloch im Haushalt Diese Projekte wackeln

Stand: 21.11.2023 19:35 Uhr

Der Industriestrompreis, die Förderung von E-Autos oder der Ausbau der Bahn - durch das Urteil zum Klima- und Transformationsfonds stehen zahlreiche Projekte auf dem Prüfstand. Ein Überblick.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) die Haushaltsplanung der Bundesregierung über den Haufen geworfen. Die Karlsruher Richter entschieden vergangene Woche, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht in den KTF verschoben werden durften. Hinzu kam, dass nach dem Gerichtsurteil auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) fragwürdig wurde. Die Finanzierung zahlreicher klima- und industriepolitischer Projekte der Ampel steht nun auf der Kippe.

Industriestrompreis

Die sogenannte Strompreiskompensation - eine Entlastung für besonders energieintensive Unternehmen von den Kosten durch den CO2-Preis - sollte aus dem KTF bezahlt werden. Ab kommendem Jahr waren dafür mindestens 2,6 Milliarden Euro vorgesehen. Die beschlossene Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist hingegen nicht betroffen, weil die erwarteten Mindereinnahmen dadurch im regulären Haushalt verbucht wurden.

Chip-Fabriken

Das Bundeswirtschaftsministerium will die Hersteller von Halbleitern in Deutschland massiv fördern und hatte dafür Mittel aus dem KTF eingeplant - für 31 Projekte deutscher Unternehmen rund vier Milliarden Euro. In 15 Fällen wurden bereits rechtsverbindliche Förderbescheide ausgestellt, diesen Unternehmen ist die Förderung damit sicher, während die anderen bangen müssen.

Ebenfalls infrage stehen die Milliardensubventionen für die Ansiedlung von Chip-Fabriken des taiwanischen Konzerns TSMC in Dresden und des US-Herstellers Intel in Magdeburg.

Grüner Stahl

Ähnlich ist die Lage im Bereich Stahl und Wasserstoff: Die KTF-Milliarden sollten 45 Unternehmen bei der Umstellung ihrer Produktionsprozesse auf den neuen Energieträger unterstützen. Sechs Vorhaben, darunter der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp, haben bereits Förderbescheide erhalten und sind damit aus dem Schneider.

Bei 25 weiteren wurden in Absprache mit der Regierung bereits Investitionen getätigt, deren staatliche Absicherung nun nicht mehr sicher ist. Besonders große gefährdete Projekte sind die Dekarbonisierung der Stahlwerke von Saarstahl im Saarland und ArcelorMittal in Bremen und Eisenhüttenstadt.

Was die Haushaltssperre bedeutet

M. Burgschat/A. Hensel, ARD-aktuell, tagesschau, 21.11.2023 17:00 Uhr

Batterien für E-Autos

Auch Subventionen für den Aufbau von Batteriezellenfabriken sollten aus dem KTF finanziert werden. Ein prominentes Beispiel ist das geplante Werk des schwedischen Herstellers Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide. Ein Förderbescheid wurde bislang nicht erteilt, da noch das grüne Licht der EU-Kommission dafür fehlte.

Klimaschutzverträge

Mit diesem Instrument will das Bundeswirtschaftsministerium die Wirtschaft in der Breite und besonders den Mittelstand in strukturschwachen Industriegebieten wie dem Ruhrgebiet vor unerwarteten Preisschwankungen schützen. Um dabei Anreize für den Klimaschutz zu schaffen, liegt der Mittelvergabe ein Auktionsprinzip zugrunde: Den Zuschlag erhalten die Unternehmen, die mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand besonders viel CO2 einsparen. Eventuell erhalten sie nun aber gar nichts.

Wegfall der EEG-Umlage

Die Förderung der erneuerbaren Energien wurden lange über die sogenannte EEG-Umlage von den Stromverbrauchern mitfinanziert. Im Zuge der Energiekrise wurde die Umlage auch als Entlastungsmaßnahme abgeschafft. Ersetzt wurde sie durch Mittel aus dem KTF.

E-Auto-Förderung

Der Umweltbonus für die Anschaffung eines E-Autos kommt seit vergangenem Jahr ebenfalls aus dem KTF. Sollte die Förderung künftig wegfallen, wäre das für Verbraucher misslich, wenn sie ihr Auto bereits bestellt und dabei die Subvention eingeplant haben. Denn "maßgeblich für die Förderung" ist laut Wirtschaftsministerium das Datum des Förderantrags, "der die Fahrzeugzulassung voraussetzt" - zwischen Bestellung und Zulassung liegen jedoch in der Regel Monate.

Sanierung der Deutschen Bahn

Für die Bahn-Infrastruktur sind im KTF allein für das kommende Jahr vier Milliarden Euro eingeplant, bis 2027 sind es 12,5 Milliarden Euro. Einem Bericht des "Spiegels" zufolge befürchtet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sogar eine Finanzierungslücke von 25 Milliarden Euro. Demnach steht bereits die erste der insgesamt für 40 Streckenabschnitte geplante Generalsanierung auf der Kippe: In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll eigentlich die sogenannte Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim vollgesperrt und überholt werden.

Bahn-Sanierung droht nach Haushaltsurteil vom Bundesverfassungsgericht zu scheitern

Kerstin Dausend, ARD Berlin, Morgenmagazin, 22.11.2023 05:30 Uhr

Gebäudeenergiegesetz

Auch bekannt als "Heizungsgesetz". Die Mittel für neue Heizungen und energetische Sanierungen (Bundesförderung für effiziente Gebäude - BEG) kommen aus dem KTF. Als Bundesfinanzminister Christian Lindner infolge des Karlsruher Urteils eine Haushaltssperre verhängte, nahm er diese Förderungen davon zwar explizit aus. Am Montagabend verhängte das Finanzministerium allerdings eine noch weitergehende Ausgabensperre, die womöglich auch die BEG-Mittel betrifft.

Energiepreisbremsen

Die Preisbremsen für Strom und Gas wurden bislang aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) finanziert. Die Kredite aus dem Sondervermögen für die Energiepreisbremsen könnten "im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden", teilte nun Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer den Ministerien mit. Mit dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, sperrte er alle weiteren Ausgaben aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das laufende Jahr. Zugleich hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums: "Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen."

Die Bundesregierung hatte den WSF 2022 zur Abfederung der Energiekrise in der Folge des Ukraine-Kriegs mit 200 Milliarden Euro ausgestattet. Aus dem Fonds wurden seitdem die Strom- und Gaspreisbremsen für Verbraucherinnen und Verbraucher finanziert sowie Stützungsmaßnahmen für Firmen und wichtige Gasimporteure. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach damals von einem "Doppel-Wumms".

Quelle: AFP, DPA