Ein Wahllokal in Schwalbach am Taunus in Hessen.
analyse

Befragungen in Bayern und Hessen Große Mehrheit mit großen Sorgen

Stand: 08.10.2023 13:41 Uhr

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen werden zum Zwischenzeugnis - nicht nur für die Ampelregierung. Sie könnten auch die Gewichte unter den Oppositionsparteien verschieben. Die Stimmung ist von großer Sorge geprägt.

Bei den Landtagswahlen heute geht es nicht nur um die künftigen Machtverhältnisse in Bayern und Hessen. Je nach Ergebnis werden auch die bundespolitischen Kräfteverhältnisse neu justiert. Denn gewählt wird genau zur Halbzeit zwischen zwei Bundestagswahlen - und in einer Zeit höchster gesellschaftlicher Verunsicherung.

Weder in Bayern noch in Hessen sind regionale, landespolitische Aspekte ausschlaggebend für die Wahlentscheidung. Die repräsentative Vorwahlbefragung in beiden Bundesländern zeigt: Typische Landesthemen wie Bildung, Verkehr, Wohnen sind auf der Agenda nach unten gerutscht. Fast ein Viertel der befragten Wählerinnen und Wähler nennt die wirtschaftliche Entwicklung als entscheidend. Für jeweils 20 Prozent sind die Themen Zuwanderung und Klima am wichtigsten. Keines dieser Probleme wird in München oder Wiesbaden gelöst. 

Stimmung ist von großer Sorge geprägt

Dabei ist die Stimmung in beiden Ländern von großer Sorge geprägt. Drei Viertel der Befragten sind beunruhigt: über die deutlich schlechtere Wirtschaftslage, die steigenden Zahlen an Flüchtlingen und Asylbewerbern sowie eine Bundesregierung, deren Kanzler als unentschlossen und die angesichts der großen Probleme als zu langsam empfunden wird.  

Unter den Oppositionsparteien profitiert in dieser Lage am stärksten die AfD. In Bayern billigt ihr fast die Hälfte der Wählerschaft zu, dass sie "besser als andere Parteien versteht, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen" und bewertet positiv, dass die AfD "den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen will". Ihre Umfragewerte sind im vergangenen Jahr parallel zur Zahl der Asylbewerber angestiegen. Das Thema hat zuletzt den Wahlkampf aller Parteien geprägt. 83 Prozent der Bayern und 72 Prozent der Hessen wünschen sich "eine grundsätzlich andere Asyl- und Flüchtlingspolitik, damit weniger Menschen zu uns kommen". 

Joscha Barlitz, HR, zur bisherigen Stimmenabgabe in der Landtagswahl in Hessen

tagesschau, 08.10.2023 10:00 Uhr

Bayern: Duell zwischen Söder und Aiwanger

In Bayern ist der Wahlkampf beinahe zum Duell zwischen CSU-Ministerpräsident Markus Söder und seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger, Chef des Koalitionspartners Freie Wähler, geworden. Aiwanger hat von der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt profitiert. Seine Anhänger glauben ihm mehrheitlich, dass er das Flugblatt nicht geschrieben habe. Die Freien Wähler profitieren vor allem in ländlichen Gegenden, gelten dort als besonders bürgernah.

Die CSU verzeichnet deutliche Einbußen in der Wirtschaftspolitik und auf dem Feld der inneren Sicherheit. 2018 erzielte Söder mit 37,2 Prozent das schwächste CSU-Ergebnis seit 1950. Er wird daran gemessen werden, ob er den Trend umkehren kann. Konkurrenten sind dabei eher Freie Wähler und AfD im konservativen und rechten Lager als die SPD, die in den Umfragen der letzten Wochen einstellig blieb. Um Rang zwei unter den Parteien kämpfen allein Grüne, Freie Wähler und AfD. 

Hessen: SPD mit geringen Chancen auf Regierungswechsel

In Hessen bekommt Ministerpräsident Boris Rhein zwar Anerkennung, dass er nach knapp anderthalb Jahren gut ins neue Amt gefunden habe. Große Strahlkraft hat er aber nicht entfaltet. Seine Arbeit im Amt wird mit 45 Prozent Zustimmung schlechter bewertet, als die fast aller anderer Ministerpräsidenten in diesem Wahlzyklus.

Er profitiert davon, dass die SPD mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine Spitzenkandidatin aufgestellt hat, die selbst eigene Anhänger kaum überzeugt. Die Hälfte der eigenen Wählerinnen und Wähler meint, sie hätte sich klar für Hessen und gegen die Aufgabe in Berlin entscheiden müssen.

Angesichts der Kritik an Faeser und vor allem auch an Bundeskanzler Scholz hat die SPD geringe Chancen auf einen Regierungswechsel. Sie wird einmal mehr mit den Grünen und neuerdings auch mit der AfD um Platz zwei kämpfen. Im direkten Vergleich um das Spitzenamt würden sich 38 Prozent für Rhein, 23 Prozent für seinen Stellvertreter und Koalitionspartner Tarek Al-Wazir von den Grünen und nur 15 Prozent für Innenministerin Faeser entscheiden. 

Für FDP könnte es zur Zitterpartie werden

An den Grünen arbeiten sich vor allem in Bayern die politischen Gegner ab. Noch vor fünf Jahren gab es in beiden Bundesländern breite Anerkennung für ihre ökologische Politik - auch in der Wählerschaft der anderen Parteien. Dieses Bild hat sich vollständig gedreht. Ihre Klima- und Energiepolitik in der Bundesregierung polarisiert, ihre Asylpolitik wird angegriffen. In Bayern hält eine Mehrheit der Befragten den von Grünen betriebenen Ausstieg aus der Atomenergie für schädlich. Trotzdem haben sie den Kern ihrer eigenen Anhänger halten können. In den Vorwahlumfragen lagen sie in Hessen und Bayern in der Nähe ihre historischen Rekordergebnisse von 2018. 

Für die FDP könnte der Wahlabend einmal mehr eine Zitterpartie werden. Seit dem Start der Ampelkoalition im Bund leidet sie bei Landtagswahlen unter Verlust an Stimmen und Einfluss. In Niedersachsen und Berlin rutschte sie bereits unter die Fünf-Prozent-Hürde, sie ist nur noch in zehn Landesparlamenten und zwei Landesregierungen vertreten. In Bayern dürfte es heute besonders knapp werden für die Liberalen, aber auch in Hessen ist ihr Wiedereinzug nicht gesichert. 

So werden diese Landtagswahlen heute zum Zwischenzeugnis - nicht nur für die Ampel. Sie könnten auch die Gewichte unter den Oppositionsparteien verschieben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 08. Oktober 2023 um 14:00 Uhr.