Björn Höcke

Landtagswahl in Thüringen Höcke-AfD gewinnt, BSW hinter CDU, Ramelow abgewählt

Stand: 01.09.2024 20:02 Uhr

Die AfD von Björn Höcke fährt in Thüringen mit über 30 Prozent einen historischen Erfolg ein - und meldet Regierungsanspruch an. Die zweitplatzierte CDU hat bessere Aussichten auf die Staatskanzlei. Das BSW könnte mitregieren. Die Ramelow-Linke stürzt ab.

Die AfD geht als klarer Sieger aus der Landtagswahl in Thüringen hervor. Damit gewinnt erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei eine Wahl zu einem Landesparlament. Die AfD unter Führung von Landeschef und Spitzenkandidat Björn Höcke kommt laut Hochrechnung von infratest dimap auf 32,4 Prozent und kann sich damit im Vergleich zur Wahl 2019 (23,4 Prozent) deutlich steigern. 

Im Wahlkampf konnte sich die AfD die Themen Zuwanderung, Kriminalität und die Ukraine-Politik der Bundesregierung zunutze machen und vielerorts die Stimmung der Menschen aufgreifen. Mit teils nationalistischen und radikalen Schlagworten grenzte sich die AfD hier von anderen Parteien ab und präsentierte sich als Partei für ostdeutsche Interessen. Das Gesicht der Thüringer AfD ist der 52-jährige Ex-Lehrer Höcke vom extrem rechten Rand der Partei, der unlängst wegen Verwendung einer SA-Parole verurteilt wurde.

Höcke will über Regierungsbildung sprechen

"Wir sind die Volkspartei Nummer eins", sagte Höcke in der ARD. Er sprach von einem historischen Ergebnis. Er wolle Gespräche mit den anderen Parteien über eine Regierungsbeteiligung führen. Es sei gute parlamentarische Tradition, dass die stärkste Kraft nach einer Wahl zu Gesprächen einlädt, sagte Höcke. "Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen."

Bislang haben andere Parteien Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen.

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CDU auf Platz zwei

Die Thüringer CDU kommt auf 23,8 Prozent. Damit verbessert sie ihr Ergebnis von 2019 (21,7 Prozent) und schiebt sich auf Platz zwei hinter der AfD. Mit Spitzenkandidat Mario Voigt präsentierte sie sich als klare Regierungsalternative zur Minderheitskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow, doch konnte die CDU kaum von der Unzufriedenheit im Land profitieren. Auch die Zugkraft des Spitzenkandidaten war begrenzt. Den Wahlkampf spitzte Voigt auf ein Duell zwischen ihm und Höcke zu, präsentierte sich als Macher mit Thüringer Wurzeln, anders als die gebürtigen Westdeutschen Höcke oder Ramelow. Eine Zusammenarbeit mit der Höcke-AfD schloss Voigt kategorisch aus, ebenso wie mit Linken und Grünen.

Die CDU sei zurück als "stärkste Kraft der politischen Mitte", sagte Voigt vor Anhängern am frühen Abend. "Die CDU hat geliefert." Voigt sah den Regierungsauftrag bei seiner Partei. "Wir begreifen das als CDU auch als Chance für den politischen Wechsel unter der Führung der CDU", sagte er in Erfurt.

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Ramelow kann Absturz der Linken nicht aufhalten

Nach ihrem historischen Erfolg von 2019 stürzt die Linke von Ministerpräsident Ramelow nun regelrecht ab. Die ARD-Hochrechnung sieht sie bei 12,9 Prozent - vor fünf Jahren waren es noch 31,0 Prozent. Ramelow regierte in Thüringen seit 2014, zuletzt mit SPD und Grünen in einer Minderheitsregierung. Die Arbeit seiner Regierung wurde zunehmend kritisch bewertet von den Wählern.

Der 68-Jährige gilt zwar immer noch als der mit Abstand beliebteste Politiker im Land, wenn auch mit abnehmender Tendenz, doch konnte er auch mit seinem Amtsbonus den Absturz seiner Partei nicht verhindern. Dass die Partei nicht in die Bedeutungslosigkeit stürzte, wie etwa in Sachsen, dürfte einzig an Ramelow gelegen haben. Als Hauptmotiv im Wahlkampf nannte er den Kampf gegen die AfD und Höcke. 

Ramelow sieht Regierungsauftrag bei CDU

"Ich kämpfe gegen die Normalisierung von Faschismus", bekräftigte Ramelow mit Blick auf die AfD am Abend in der ARD. Er habe im Wahlkampf nicht gegen CDU oder das BSW gekämpft, sondern gegen die AfD. Nun sieht er den Regierungsauftrag bei CDU-Spitzenkandidat Voigt. Wer aus dem demokratischen Spektrum "die meisten Stimmen hat, der muss die Gespräche beginnen, der muss einladen", sagte Ramelow. Zum absehbaren Verlust seiner eigenen Position als Ministerpräsident sagte der Linken-Politiker: "Ich habe kein Problem damit, dass ein politisches Amt auf Zeit vergeben wird."

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BSW aus dem Stand zweistellig

Zu den großen Gewinnern dieser Wahl zählt neben der AfD auch das Bündnis Sahra Wagenknecht. Das BSW - angetreten mit der Ex-Linken Katja Wolf als Spitzenkandidatin - kommt aus dem Stand auf 15,6 Prozent und schafft damit problemlos den Sprung in den Landtag in Erfurt. Im Wahlkampf punktete das BSW vor allem mit nicht-landespolitischen Themen wie der Kritik an den Waffenlieferungen für die Ukraine und der Forderung nach Verhandlungen mit Russland. Doch auch ihre Positionen gegen Zuwanderung und für soziale Sicherheit trafen die Stimmungslage vieler Wähler. Zugpferd im Wahlkampf war BSW-Namensgeberin Wagenknecht, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand. 

Wagenknecht gab auch die weitere Richtung vor: eine Koalition mit der CDU und gegebenenfalls auch der SPD. "Wir hoffen sehr, dass wir gemeinsam mit der CDU am Ende eine gute Regierung zustande bekommen - wahrscheinlich auch mit der SPD", sagte Wagenknecht in der ARD. "Ich hoffe, dass das funktioniert." 

Koalitionen mit der AfD erteilte sie für Thüringen eine klare Absage: Mit dem dortigen AfD-Landeschef Björn Höcke "können wir nicht zusammenarbeiten".

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SPD schafft es in den Landtag ...

Ein politisches Desaster erleben die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP, wobei die SPD noch am besten abschnitt. Die Thüringer Sozialdemokraten kommen auf historisch niedrige auf 6,2 Prozent und bleiben damit im Landtag vertreten. Angetreten waren sie mit Innenminister Georg Maier, der aber trotz 15 Jahren in der Landesregierung mit mangelnder Bekanntheit und wenig Strahlkraft kämpfte. Selbst auf Ur-SPD-Feldern wie sozialer Gerechtigkeit konnte die Partei nicht punkten. 

Der Wahlkampf sei komplett von geopolitischen Themen überlagert gewesen, sagt Maier am Abend. "Unsere Mitbewerber wollten genau das, dass wir über Krieg und Frieden (…) und über Themen reden, die wir nicht entscheiden können." Diese Strategie sei "leider aufgegangen".

... die Grünen nicht

Auch die Thüringer Grünen hatten mit erheblichem Gegenwind aus Berlin zu kämpfen, hinzu kam die große Unzufriedenheit mit der Landesregierung. Grüne Themen wie Klimaschutz und Umwelt spielten für die Wahlentscheidung der Menschen kaum mehr eine Rolle, anders als noch 2019. Die Spitzenkandidaten Madeleine Henfling und Bernhard Stengele konnten die Partei nicht vor dem parlamentarischen Aus bewahren - die Grünen bleiben mit 3,5 Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Die FDP scheitert ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde - sie kommt nur noch auf 1,2 Prozent. Sie fliegt damit aus einem weiteren Landesparlament. Angetreten war sie mit Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich. 

Schwierige Regierungsbildung

Thüringen steht nun vor der erwartet schwierigen Regierungsbildung. Der AfD fehlen die Partner zum Regieren und für eine Allein-Regierung reicht es nicht. Aufgrund ihrer Stärke hat sie aber im neuen Parlament erheblichen Einfluss. Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müssten ihre Zustimmung finden. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Die CDU als zweitstärkste Kraft könnte Bündnisse ausloten mit BSW und SPD. Für eine Zusammenarbeit hatte das BSW in Gestalt von Sahra Wagenknecht jedoch vorab Bedingungen formuliert. Eine Koalition mit der Linken wäre rechnerisch möglich, gilt aber aufgrund des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU als ausgeschlossen. Das BSW könnte auch Optionen mit Linken und SPD ausloten.

Auch Modelle mit einer erneuten Minderheitsregierung und Tolerierungen sind denkbar, doch ist der Wunsch der demokratischen Parteien nach stabilen politischen Verhältnissen im Erfurter Landtag groß.

Grundsätzlich hat der Thüringer Landtag 88 Sitze. Abweichungen davon können durch sogenannte Ausgleichs- und Überhangmandate entstehen. In der ablaufenden Legislaturperiode saßen 90 Abgeordnete im Parlament.

Insgesamt waren knapp 1,7 Millionen Menschen in Thüringen zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung dürfte Schätzungen zufolge auf 73,5 Prozent gestiegen sein. 2019 lag sie bei 64,9 Prozent.